Urban Dance wird akademisch
Urban Dance Academy in Heidelberg gegründet
Das „Dance Forum Taipei“ mit einer deutschen Erstaufführung bei der Heidelberger Tanzbiennale
Tanz aus Taiwan ist ein Mini-Schwerpunktthema auf diesem Festival und bietet eine deutsche Erstaufführung. Das „Dance Forum Taipei“ kommt aber nicht etwa mit einer Arbeit aus den eigenen Reihen, sondern mit der Produktion „Orthopedica Corporatio“, die in Zusammenarbeit Marina Mascarell entstanden ist. Die spanische Choreografin hat sich international für einen Tanz jenseits üblicher Normen einen Namen gemacht; gerade wurde sie zur Leiterin des Danish Dance Theatre berufen.
Ihr Stück mit dem Titel „Orthopedica Corporatio“ hat sie ursprünglich 2021 in Katalonien erarbeitet, mit sieben unterschiedlichsten Darsteller*innen (darunter der legendäre Ex-Forsythe-Tänzer Amancio Gonzales, beim Festival in der Produktion „Navy Blue“ zu sehen). Die Uraufführung in Heidelberg setzt dagegen auf eine junge, zackige und recht homogene Truppe aus Taipei.
Auf der Bühne sind allerhand Fundstücke wie von der Resterampe eines Baumarkts als Abenteuerspielplatz für Erwachsene arrangiert: Röhren, Rohre, Schläuche und Zylinder in allen denkbaren Formen und Farben. Auf diese Spielwiese werden die vier Tänzerinnen und zwei Tänzer losgelassen (ein Ensemblemitglied ist verletzungsbedingt ausgeschieden) und erkunden das Spielmaterial mit der kreativen Naivität von Kindern. Beim Ausprobieren werden aus Röhren Krücken, aus Rohren Pfeifen, aus Schläuchen Lassos oder Peitschen. Allmählich kommen auch organische Relikte dazu: Blätter und Palmwedel, trockene Äste, verdorrte Bäume. Auch mit diesem Material kann man allerhand Unvorhergesehenes anstellen: sich dahinter verstecken, auf den Boden einpeitschen, einen Ast wie einen erhobenen Flügel in einem Körpergurt befestigen.
Der Soundtrack spielt mit Geräuschen, die von den ungewöhnlichen Aktionen ausgehen: Knistern und Knacken, Pfeifen und Knallen werden mit Hilfe elektronischer Verstärkung Teil der raffinierten Klangkulisse. Eine „immersive Performance“ verspricht das Programmheft, also ein Eintauchen in fremde Welten. Freilich fehlt dieser Bühnenwelt die emotionale Dringlichkeit, an der man aus der Zuschauerperspektive andocken könnte – den kleinen Rausch, den sich die Darsteller*innen erspielen, lässt man dafür gerne gewähren.
Wenn auf der Bühne die Fundstücke – ergänzt durch nützliche Instrumente wie eine Primitiv-Marimba zum Umhängen oder ein paar Dosenstelzen – ausgereizt scheinen, kriechen die Tänzer*innen unter die knisternde Folie, die den Tanzboden bedeckt, und formen sie von innen zur zerknautschten Erdkugel. Zum Abschluss fährt ein mit neongrünen Leuchtröhren bestückter Gepäckwagen im Kreis und lädt zu letzten Kunststückchen ein. Das alles ist unterhaltsam und prima gemacht von den Gästen aus Taipei. Was freilich in Erinnerung bleibt von diesem Abend sind Antworten auf nur bedingt interessante Fragen – und ziemlich viel Plastikmüll.
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