Trajal Harrell und das Zürich Dance Ensemble: „Maggie The Cat“

Heiße Beats für Katzenpfoten

Trajal Harrell und das Zürich Dance Ensemble am Schauspielhaus Zürich mit „Maggie The Cat“

Die Farmersfrau Maggie, die sich in ihrer Ehe wie „eine Katze auf dem heißen Blechdach“ im gleichnamigen Theaterstück von Tennessee William fühlte, dient Harrell als Inspiration für ein schillerndes und schrilles Tanzstück. Für nur drei Aufführungen ist er zurück in seiner Wahlheimat Zürich – und wo er gerne bleiben möchte. Doch kann er es auch?

Zürich, 25/10/2024

Zu Beginn des Abends steht Trajal Harrell noch alleine auf der Bühne und meint, etwas wehmütig, er sei froh, wieder hier zu sein: in Zürich am Schauspielhaus, wo er von 2019 bis 2024 eine eigene Tanzkompanie geleitet hat, unter dem Namen Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble. Nachdem der Vertrag mit den damaligen Intendanten Nicolas Steman und Benjamin von Blomberg 2023 nicht verlängert wurde, verlor auch er mitsamt seinem Ensemble sein Engagement. Seither touren sie als freie Gruppe in Europa. Für drei Vorstellungen gastiert er diese Woche in Zürich mit „Maggie The Cat“, uraufgeführt 2019 in Manchester, gefeiert hier von seinen Fans, aber vor nicht ausverkauften Rängen.

Alle sind Maggie

Trajal Harrell beschwört – wie immer in seinen Stücken – nicht den Inhalt herauf. Der Titel allein genügt ihm für seine eigene Kreation. Bei ihm gibt es eine „Big Mama“, verkörpert von ihm selbst, und die Sängerin und Tänzerin Perle Palombe gibt den „Big Daddy“. Zu ihnen gesellen sich nach und nach neun ausdrucksstarke, zumeist von früheren Werken bekannte Tänzer*innen. Sie alle sind Maggie. Sie schreiten auf leisen, heißen Sohlen daher, immer wieder angefeuert von Big Daddy und Big Mama. 

Das Voguing ist das tänzerische Markenzeichen von Harrell, es dominiert auch in diesem knapp einstündigen Stück. Das den Models auf dem Laufsteg, auf dem Cat Walk abgeschaute geschmeidige Schreiten basiert auf leichten Füßen, mit Gewicht auf den Fußballen, die Fersen hochgestellt und die Beine leicht gekreuzt. Katzen als Zehengänger sind für ihre elegante Gangart und die geschmeidigen Bewegungen bekannt. Cat Walk eben. 

Requisiten sind, wie oft bei Trajal, Kleider und Tücher, die um-, aus- und angezogen werden. Diesmal kommen Kissen hinzu, die mal um die Hüften und Beine gebunden, mal auf den Köpfen balanciert werden, anstelle von Büchern, so wie Models ihren stolzen Gang zu trainieren pflegen. Das ist eigentlich bereits die „Handlung“, respektive der Inhalt des Stückes. Etwas mager, zumal für die teuren Plätze im Schauspielhaus. 

Tanzen, um das Leben zu feiern

Dennoch, obwohl sich Harrells Werke bisher stilistisch nicht wesentlich unterschieden haben, zieht „Maggie The Cat“ in Bann, mit der ganzen Wildheit, der Konsequenz und Leidenschaft, die das Ensemble verkörpert und ausstrahlt. Auf die Frage, warum die Menschen tanzen, antwortete Harrell in einem Interview (Tages-Anzeiger): „Um das Leben in seiner ganzen Komplexität zu feiern.“ Harrell, der für Regie, Choreografie, Kostüme und Musik verantwortlich ist, vereint bei genauerem Hinschauen eine Vielfalt von Bewegungen, ethnischen Tänzen und ästhetischen Formen und verbindet sie zu einer eigenen Sprache: konzentriert, komplex, konsequent.

Unbändig und doch immer auch rhythmisch bis sogar meditativ tanzen die neun Tänzer*innen bis nahe an die Ekstase, einmal zu hartem, lautem Beat, dann wieder ruhiger und statischer zu sanften klassischen und jazzigen Klängen. Die „Katzenliebe“ vereint das diverse Ensemble, das sich selber immer wieder vom applaudierenden Publikum wie Models feiern lässt. „Give me a meow“, fordert die Sängerin, das Harrell erneut in „Monkey off my Back or the Cat’s Meow“ von 2022 nutzen wird. Zum Schluss des Abends ruft Harrell, sowohl ans Publikum wie an sein Ensemble gewandt: „Please don’t stop me!“ Es tönt fast wie Auf- oder Hilfeschrei.

Aussicht auf Kontinuität?

Harell möchte in Zürich bleiben, respektive hierher zurückkommen. Weil er sich in dieser Stadt so gut fokussieren könne, habe er sich entschieden, seine Kompanie hierherzuholen, so Harrell in einem Interview. Ein Wunschdenken? Als ehemaliger freischaffender Choreograf aus New York weiß er, dass eine Stadt sich eine Kompanie nicht einfach leisten kann. Irgendwann sei es für ihn an der Zeit gewesen, eine Kompanie zu gründen. In Zürich hatte er diese Möglichkeit. „Ich glaube, dieser Schritt hat meine Arbeit in gewisser Weise verändert. Es gibt jetzt einen sehr klaren Stil“, sagte er gegenüber dem Festival Impuls Tanz in Wien. Wenn man einen Rahmen habe, könne man immer tiefer und tiefer gehen. Das erde die Arbeit und biete Aussicht auf Kontinuität. 

Ein Sprecher äußerte gegenüber tanznetz: „Trajal Harrell ist in Zürich based und Teile der Tänzer*innen sind es ebenfalls, das Herz der zukünftigen Arbeit soll Zürich bleiben. Das Ensemble tourt in dieser Saison vornehmlich und dies ist zunächst die einzige Einnahmequelle.“ Als Zürich Dance Ensemble sind sie in dieser Saison mit Stücken wie „The Köln Concert“ (2020), „Tambourines“ (2024) „Maggie the Cat“ (2019) oder „The Romeo“ (2023) unterwegs. 

In Zürich hat er sechs Uraufführungen getätigt und eine Fan-Gemeinde aufgebaut. Das vorwiegend jüngere Publikum war in Zürich an der Premiere begeistert. Aber ein festes neun bis elfköpfiges Ensemble zu halten ist teuer. Und ob seine Fangemeinde hier so zahlreich und zahlungsfähig ist, um ihn hier behalten zu können, und ob sie ihm über die Jahre hinweg die Treue halten würden, steht offen. Man möchte es ihm und Zürich wünschen, dass er hier weiterführen kann, was er angefangen. Aber es müssten Wunder geschehen.

Botschafter für den Tanz und für Zürich

Die Subventions- und Fördergelder der Stadt sind für die nächsten Jahre festgelegt, da bleibt wenig Spielraum für eine neue Tanzgruppe. Am Schauspielhaus Zürich ist zurzeit eine Interimsintendanz im Gang. Wie das Programm der nächsten Intendanz von Pinar Karabulut und Rafael Sanchez ab der Spielzeit 2025/2026 aussehen wird, klärt sich erst im nächsten Frühling. 

Eine Residenz von Meg Stuart am Schauspielhaus Zürich (2004 – 2010) endete bereits in Ungemach, wegen zu hoher finanzieller Belastung eines eigenen Tanzensembles und letztlich wegen langfristigen mangelnden Interesses des Publikum. Ähnlich wie das Ende von Intendanz und Tanzensemble 2023. Es ist also fraglich, ob sich die neue Intendanz und die Stadt Zürich als Subventionsgeberin erneut einem solchen Versuch aussetzen will. Andererseits ist Trajal Harrell ein charismatischer und leidenschaftlicher Botschafter für den Tanz und die Diversität der Menschen, aber auch für die Stadt seines Begehrens mit Zürich im Namen seines Ensembles.

 

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