„Noche del Flamenco“ von Suzann Bustani

Schmeiß die Kartoffel! Echa le papa!

Suzann Bustani: Die „Noche del Flamenco“ sind ein Magnet im Heilbronner Kulturleben

Weibliche Urkraft in betörender Sinnlichkeit. Und eine selbstironische Pointe verhindert Kitsch.

Heilbronn, 17/10/2024

Einst streitbare Amazonen, jetzt schwarze Witwen – wenn sich der Vorhang des Heilbronner Theaters öffnet und Suzann Bustani ihre gesamte Schülerschaft als Gruppe ganz in Schwarz präsentiert, steht da ein archaisches Monument der Frauenpower. Urkraft pur manifestiert sich in langsam geführten Armebewegungen, die Statik löst sich und die Spannung steigt. Unisono wenden sich die Körper in einer halben Drehung den Musikern zu. Stolz, Trotz und Präsenz, mit Zeichen aus einer entlegenen Vergangenheit begegnen sich Tänzerinnen und Musiker: „Es wird die Erde sein, die Sonnen, die Meere und der Mond. Es wird der Flamenco sein, mit all seiner Kraft, der sich nach euch sehnen wird.“

Ihre Sehnsucht nach großen Gefühlen, Schmerz und tiefer Trauer, betörender Sinnlichkeit und ausgelassener Freude können die Aficionados des andalusischen Tanzes in Heilbronn alle zwei Jahre in der „Noche del Flamenco“ stillen und mit ihrer Begeisterung die Akteure anfeuern. „Das Beste, was ich im letzten Jahr in Spanien gehört habe war: ‚Echa le papa!‘, was so viel heißt wie: Schmeiß die Kartoffel!“, erklärt Bustani bei der Begrüßung, fordert das Publikum im vollen Großen Haus auf, spontane Äußerungen rauszulassen und stellt ihre spanischen Musiker vor: Cante, Isabel Alvarez und David Morán, Toque (Gitarre), Diego Rocha und neu dabei David Bermúdez an Percussion und Piano – eine absolute Bereicherung, wie sich bei einem improvisierten Solo durch die Welt des Tangos herausstellt.

Trubel mit Rüschen und Blumenmuster

„Wie schön ist die Mohnblume, sie hat weder Vater noch Mutter, sie wuchs allein auf dem Lande auf“ – acht Tänzerinnen wirbeln zur „Jaleo“ (was so viel heißt wie Lärm, Krach, Radau oder Zank und Streit) über die Bühne und feuern sich händeklatschend an. Gepunktete Kostüme in schwarz, weiß und mohnrot passen zum Trubel.

Viel Rüschen und Blumenmuster zieren die Kleider und umspielen zärtlich die Beine beim 3/4-Takt des Fandangos: „Meine Seele werde ich dir geben. Bitte mich um meine Seele und mein Leben, meine Liebste. Aber bei Gott, bitte mich nicht aufzuhören dich zu lieben – mein Leben wäre zu Ende“.

Zu den „Sevillanas“ zücken die Tänzerinnen Fächer, in kreisförmigen Bewegungen werden die „Caracoles“ (Schnecken, Löckchen, in Andalusien auch eine kulinarische Spezialität) getanzt und besungen: „Die Andalusier mit ihrer Kunst und ihrem Salz, wenn sie singen und tanzen, wie sie leuchten! Schnecken, Schnecken. Schöne, was haben sie gesagt?“

Tragisch ist die Erzählung der Tientos: „Morgen, morgen werden sie alle verhaften, die braune Augen haben. So schwarz wie deine sind – verschleiere dein Gesicht“. Mehr Wind als die Fächer machen die Manton Bordado Grande, jene großen, malerisch bestickten Seidentücher mit langen Fransen. Sie werden in unzähligen Variationen durch die Luft geschwungen und wieder um den Körper geschlungen.

Selbstironische Pointe

„Alles scheint gegen mich, die Zeiten und die Gezeiten, die Brandung des tobenden Meeres schlägt mir ins Gesicht. Ach, welch große Leiden sind mir widerfahren!“, so heißt es in der „Seguiriya“. Weit entfernt vom Selbstmitleid ist gegen Ende des Programms eine gewitzt heitere „Alegria“, die den Blick in die Historie mit einer selbstironischen Pointe würzt: „Unbesiegbares Bollwerk Cádiz, Insel des Löwen, wo der Koloss Napoleon Bonaparte kapitulierte, wo er, wie in Waterloo, seinen Sieg verfehlte. Aus den Bomben dieser Aufschneider machen die Frauen von Cádiz Korkenzieher!“

Riesenapplaus, Ovationen im Stehen und spontane Jubelschreie à la „Echa le papa! Schmeiß die Kartoffel!“

Auch wenn der markante Gesang des Cante jondo immer tonangebend war, ohne Gitarrenbegleitung und Tanz hätte der Flamenco wohl kaum den Sprung auf die Weltbühne geschafft.

 

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