Bewundert
Der diesjährige Prix de Lausanne überzeugte auch beim zeitgenössischen Tanz
Mit einem überquellenden Final-Wochenende ging der 52. „Prix de Lausanne“ zu Ende
Die „Augen der Woche“ gehörten der Jury des 52. Prix de Lausanne: der Präsidentin Dame Darcey Bussel, ihrem Vizepräsidenten Federico Bonelli, sowie Edson Barbosa, Sarah-Jane Brodbeck, Tracy Inman, Sue-Jin Kang, Rainer Krenstetter, Aki Saito und Yohan Stegli. Gemeinsam stemmten sie die fordernde Aufgabe, im mehrtägigen steten Strom von Unterricht, Coachings und Variationen die 87 Schüler*innen 18 verschiedener Nationalitäten fokussiert zu beobachten, sich abwägend auszutauschen und das Können gerecht zu beurteilen. In die Jury-Bewertungen fließt eine Palette von Kriterien von Technik und Koordination über künstlerischen Ausdruck bis Musikalität mit ein.
Großes internationales Interesse
Aufmerksam und interessiert schauten auch die Augen vieler Direktor*innen von Ballettschulen und -compagnien, Ballettmeister*innen, Tänzer*innen, deren Umlaufbahnen im Ballett-Kosmos sich in der vergangenen Woche in Lausanne kreuzten.
Dieser renommierteste aller Ballettwettbewerbe stößt international auf Interesse, kommen doch die Kandidat*innen jedes Jahr aus der ganzen Welt in die schöne Stadt im Schweizer Kanton Waadt, in diesem Jahr von Ausbildungsstätten für klassischen Tanz in 16 Ländern. Der Final-Tag findet stets besondere Aufmerksamkeit, doch lässt er sich kaum trennen von den fünf dichten Tagen, die ihm vorausgehen.
Einen hervorragenden Eindruck von der Intensität der Wettbewerbstage vermittelt der Blick in die Aufzeichnungen (arte Mediathek) der weit über 30 Stunden Livestream, die wie jedes Jahr erhellend und charmant vom bewährten Duo Cynthia Harvey und Jason Beechey moderiert wurden.
Trainings und Coachings
Das Programm ist für die in zwei Altersgruppen eingeteilten 15-18-jährigen Kandidat*innen durchdacht aufgebaut, angefangen von klassischen und zeitgenössischen Trainings bis hin zu Coachings für die Variationen, allesamt angeleitet von einer Riege erfahrener Größen der Ballettwelt, die Wissen und Korrekturen großzügig und zugewandt weitergeben. Es zeichnet den Prix de Lausanne besonders aus, dass seine Dauer allen Teilnehmenden Zeit bietet, in der sie Sicherheit sowie Vertrauen in das Umfeld gewinnen können. Die Wettbewerbswoche führt zudem die ungeheure Vielseitigkeit vor Augen, die Balletttänzer*innen für ihren Beruf mitbringen müssen. Auch Außenstehende, die die Ballettausbildung mit einem aus der Zeit gefallenen Dressur-Akt assoziieren, dürften spätestens durch das Zuschauen bei einer Contemporary Class von Lakey Evans-Peña ihre Meinung ändern.
Nachdem am fünften Tag alle Teilnehmenden in den „Selections“ ihre klassischen und zeitgenössischen Variationen vorgeführt hatten, verkündete die Künstlerische Leiterin des Prix de Lausanne, Kathryn Bradney, die Namen jener 20, die den Sprung ins Finale geschafft hatten.
Ein Lern-Geschenk
Zwar endete damit für 67 junge Leute der Wettbewerb, doch der Prix ist in vielfacher Hinsicht ein einziges großes „Lern-Geschenk“, der die Teilnahme allein schon einen Gewinn sein lässt. Zudem hatten alle, die nicht ins Finale kamen, dank des am Samstag stattfinden Networking Forums die Möglichkeit, sich bei einer Audition und in Interviews den Direktor*innen der zahlreichen Partnerschulen und -compagnien des Prix vorzustellen.
Hohe Qualität der Ballettausbildung
Die 20 Finalist*innen aus 11 Ländern standen am Samstagnachmittag auf der Bühne des größten Theatersaals der Schweiz, wo sie unter dann knapp 1800 Augenpaaren zunächst ihre klassischen, dann die zeitgenössischen Variationen zeigten. Ein präzise durchgetaktetes 120-minütiges Défilée der Nachwuchstalente, das hier am Ende des Wettbewerbs wie unter einem Brennglas ein beeindruckendes Zeugnis ablegte von der hohen Qualität der heutigen Ballettausbildung.
Während die Jury sich anschließend zurückzog, wurde dem Publikum weiter ein hochklassiges Programm geboten. Das Bayerische Staatsballett schickte seine Stars Madison Young und Julian McKay, beide selbst mit einem Prix de Lausanne ausgezeichnet, die das innige Pas de Deux aus Angelin Preljocajs „Le Parc“ und das Pas de Deux aus „Don Quijote“ zeigten. Präsentiert wurden auch die beiden Choreografien, die am Mittwoch mit dem Young Creation Award ausgezeichnet wurden. Zu sehen gab es auch das Werk, das Kinsun Chan im Rahmen des Partner School Choreographic Project in nur fünf Tagen für 25 Schüler*innen von Partnerschulen des Prix choreografiert hatte. „SCHRäääG“ macht mit einfacher, aber effektvoller Ausstattung seinem Titel alle Ehre: Das Stück ist bezaubernd-skurril und rasant und sorgt selbst am Bildschirm sofort für gute Laune.
Life Time Achievement Award für Alessandra Ferri
Am Final-Tag wird jedes Jahr auch eine Persönlichkeit der Ballettwelt ausgezeichnet, die bereits auf eine große Karriere zurückblicken kann. Die Preisträgerin des Lifetime Achievement Award 2024 heißt Alessandra Ferri. Nachdem ein kurzer Film Höhepunkte ihrer Karriere Revue passieren ließ, würdigte Wayne McGregor in einer aufgezeichneten Einspielung die große Künstlerin, ihre gemeinsame Arbeit und Freundschaft und wünschte toi, toi, toi für ihre Übernahme des Wiener Staatsballetts im kommenden Jahr. Nach einer kurzen Laudatio von Kathryn Bradney nahm die prima ballerina assoluta in diesem feierlichen Augenblick des Nachmittags ihre Ehrung entgegen.
Es folgte der lang erwartete Moment, in dem die Jury die diesjährigen neun Preisträger*innen verkündete, die jeweils eines der von vielen generösen Stiftungen gespendeten Stipendien für Partnerschulen und -compagnien des Prix de Lausanne erhalten. Mit der Goldmedaille wurde João Pedro Dos Santos Silva ausgezeichnet, der an der brasilianischen Cia Jovem do Teatro Escola Basileu França ausgebildet wird. Er konnte sich gleichzeitig auch noch über den Web Audience Favourite Award freuen. Der zweite Platz ging an Martinho Lima Santos (Académie Princesse Grace, Monaco), der dazu auch mit dem Contemporary Dance Award ausgezeichnet wurde. Gleich dreifach wurde seine Mitschülerin Paloma Livellara Vidart bedacht, die neben Platz 3 auch den Audience Favourite Award sowie den Beaulieu Award gewann. Auf den Plätzen 4, 5 und 6 folgten Crystal Huang (Bayer Ballet Academy am Rock Center for Dance, USA), Airi Kobayashi (Deparc Ballet School in Tokyo) und Jenson Blight (Queensland Ballet Academy, Australien). Dann auf den Plätzen 7, 8 und 9 Juliann Fedele-Malard (Académie Princesse Grace), Natalie Steele (American Ballet Theatre School) und Taichi Tochida (Architanz Training Program, Japan).
Mit dem Best Young Talent Award wurde Ruby Day (Queensland Ballet Academy) ausgezeichnet, Giuseppe Schillaci (Tanz Akademie Zürich) erhielt den Best Swiss Candidate Award. Mit leeren Händen muss niemand von dannen ziehen; alle anderen Finalist*innen erhalten CHF 1000 als Prämie.
Sonntägliches Extra
Als wollte man nach dem Finale einem kalten Entzug vom Rausch der Woche entgegenwirken, folgte noch eine Zugabe: Am Sonntag wurde im Théâtre de Beaulieu der Dokumentarfilm „The Prix“ (Regie: Alain Wirth and Nuria Manzur, 2022) gezeigt. Und zum endgültigen krönenden Abschluss dann am Nachmittag „Rising Stars“, eine Gala Vorstellung mit einem Best of des Vortags.
Dieses Final-Wochenende war ein mit Verve gesetztes Ausrufezeichen hinter dem Ja zur klassischen Tanzausbildung, das der 52. Prix de Lausanne erneut eindrücklich bekräftigte.
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