„Ein Vorbild für die Kultur in Deutschland“
Nele Hertling wird mit dem FAUST Preis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet
Tänzerin Zarina Stahnke und das Choreograf*innenduo Imre und Marne van Opstal mit dem Faust-Theaterpreis ausgezeichnet
Mit einer großen Gala im Theater Gera wurden am Samstag Abend die Theaterpreise „Der Faust“ des Deutschen Bühnenvereines verliehen. Im Bereich Tanz konnten sich Zarina Stahnke für ihre Darbietung der Königin Zoe im „Schwanensee“ an der Semperoper Dresden freuen, und für die beste Choreografie wurden Imre und Marne van Opstal für „Voodoo Waltz“ am Schauspielhaus Bochum ausgezeichnet.
„Vorbildgebend"
Bei Zarina Stahnke lobte die Jury, dass sie in der Rolle der Königin ihr Darstellungspotenzial voll ausschöpfen kann und so eine sehr persönliche Interpretation der Königin liefert: „Auf höchstem technischen Niveau gestaltet sie ihre Rolle mit Feingefühl und Präzision, bleibt fragil und dabei stets feminin. Es ist faszinierend, mitzuerleben, wie sie die Königin Zoe zwischen Pflichtgefühl und Freiheitssehnsucht gestaltet.“ Die Jurybegründung endet mit dem Urteil „Vorbildgebend“. Stahnke selbst betonte in ihrer auf englisch gehaltenen Rede, dass diese Arbeit eine Achterbahnfahrt für sie war und bedankte sich für das Vertrauen, das Choreograf Johan Inger in sie gesetzt hat. In der Arbeit habe sie die künstlerische Kraft der Kreativität, der Inspiration und der Transformation wiederentdecken können, die sie schon glaubte verloren zu haben. „Was wir tun ist wichtig, sowohl für uns als Künstler*innen als auch für die Gesellschaft.“
Imre und Marne van Opstal, die beide Tänzerinnen am NDT waren und nun auch als Choreografinnen erfolgreich sind, legen mit dem ausgezeichneten „Voodoo Waltz“ am Schauspielhaus ihre erste abendfüllende Arbeit vor und behandeln dabei Neurodivergenz und den Verlust von Kontrolle. Ihnen bescheinigt die Jury, dass sie Text, Schauspiel und Tanz zu einem Abbild über die Fragilität des Daseins verwoben haben: Mit großem Geschick wird hier ein eigener Stil präsentiert, der vollkommen mühelos auf die Schauspielenden überzuspringen scheint. In dieser Choreografie erzählen Bewegungen vielschichtiger als gesprochene Worte.“ Dies entwickle in seiner Vielschichtigkeit und inhaltlich einen Sog. In ihrer Rede bedankte sich die Dramaturgin Angela Obst in Vertretung für die beiden ausgezeichneten Geschwister. Sie betonte, dass dieser Abend für diejenigen sei, bei denen sich der Körper der Kontrolle durch den Geist entzieht. Es ist ein Abend für alle, die aus dem Takt der Welt fallen und zugleich diese Verletzlichkeit als Stärke begreifen. Es ist eine Einladung, das Unbekannte zu umarmen. Unterschiede sollen nicht nur respektiert, sondern gefeiert werden.
Mit „Ich kann’s nicht lassen“ der Tanzkomplizen Berlin war auch eine weitere Tanzproduktion, hier für junges Publikum, nominiert; den Preis erhielt allerdings der Puppenspieler Tobias Weishaupt für seine Arbeit in „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ am Theater Altenburg Gera.
Eine Pionierin des Tanzes
Den Preis für ihr Lebenswerk bekam mit Nele Hertling eine weitere Tanzschaffende. Die Direktorin für Darstellende Künste an der Akademie der Künste hat sich in ihrem Leben als Kulturmanangerin sehr um den Tanz in Deutschland verdient gemacht. Sie holte als erste die neue Avantgarde wie Merce Cunningham oder Robert Wilson nach Deutschland und war von 1989 bis 2003 die erste Intendantin in West-Berlin am damaligen Hebbel-Theater, wo sie unter anderem das Festival Tanz im August ins Leben rief. In einem Videobeitrag zur Verleihung lobte Sasha Waltz die 90-Jährige als Botschafterin des Tanzes, und die Schriftstellerin Kathrin Röggla, die die Laudatio hielt, betonte die Pionierarbeit, die Hertling immer mit bestimmter Freundlichkeit für Tanz und Theater in Deutschland geleistet hat.
Doch angesichts der Feierlaune kam auch hier die aktuelle Situation der Bühnen in den kultur- und finanzpolitischen Diskussionen zur Sprache. Carsten Broda, Vorsitzender des Deutschen Bühnenvereins und Kultursenator von Hamburg, betonte die Notwendigkeit einer freien Kunst, die der Gesellschaft Diskursangebote macht. In Hinblick auf die aktuellen Spardrohungen befand er: „Haushalte lassen sich nicht im Kulturhaushalt konsolidieren."
Durch den Abend führten die Moderatorin Maria Popov und die Schauspielerin Vidina Popov. Sie wurden dabei szenisch unterstützt von den Elevinnen und Eleven des Thüringer Staatsballetts und dem Philharmonischen Orchester Altenburg Gera. Das Theater hatte einige musikalische Acts aus dem Repertoire vorbereitet und die Bühne in das Sonnendeck eines Kreuzfahrtschiffes verwandelt, auf dem die Preisträger*innen mit ihrem Faust Preis Platz nehmen konnten.
Alle Preisträger*innen
Darsteller*in Tanz
Zarina Stahnke als Königin Zoe in „Schwanensee“ – Semperoper Dresden
Darsteller*in Schauspiel
Anna Drexler als Krähe in „Trauer ist das Ding mit Federn“ – Schauspielhaus Bochum
Darsteller*in Musiktheater
Asmik Grigorian als Salome in „Salome“ – Hamburgische Staatsoper
Darsteller*in Theater für Junges Publikum
Tobias Weishaupt in „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ – Theater Altenburg Gera
Inszenierung Tanz
Imre und Marne van Opstal für „Voodoo Waltz“ – Schauspielhaus Bochum
Inszenierung Schauspiel
Joanna Lewicka für „Antigone“ – Theater Plauen-Zwickau
Inszenierung Musiktheater
Ingo Kerkhof für „Fin de Partie (Endspiel)“ – Oper Dortmund
Inszenierung Theater Junges Publikum
Frederic Lilje für „All das Schöne“ – Junges Ensemble Stuttgart
Raum
Lorenz Vetter, Signa Köstler, Tristan Kold (Raum) für „Das 13. Jahr“ – Deutsches SchauSpielHaus Hamburg
Ton & Medien
Lubomir Grzelak (Musik), Maximilian Kraußmüller, Eugenijus Sabaliauskas (Lichtdesign), Jakub Lech (Videodesign), Daphne Chatzopoulos, Johanna Seggelke, Paula Tschira (Live-Kamera), Łukasz Twarkowski (Regie) für „WoW – Word on wirecard“ – Münchner Kammerspiele
Kostüm
Luisa Wandschneider für „Jagdszenen“ – Theater Magdeburg
Genrespringer
Bassam Ghazi, Birgit Lengers und Ensemble für „Solingen 1993“ – Düsseldorfer Schauspielhaus
Lebenswerk
Nele Hertling
Perspektivpreis der Länder
Theaterjugendclub der Theater Nordhausen / Loh-Orchester Sondershausen
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