„Moto Perpetuo“ von Iratxe Ansa und Igor Bacovich

Mehr Farbe!

„Kaleidoskop“ an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

Ein betörendes Bühnenbild, ein überraschendes Ende und eine choreografische Perle: Der große Wurf ist der neue dreiteilige Abend nicht, aber es lohnt sich, bis zum Schluss zu bleiben.

Düsseldorf, 16/03/2025

Ein wenig hilflos wirken die Versuche mitunter, durch einen zentralen Titel einen mehrteiligen Ballettabend zusammenzuhalten, bei dem die einzelnen Arbeiten in ihrer Entstehung nichts miteinander zu tun haben. Natürlich ist es eine Herausforderung, Einprägsames und Wirkungsvolles zu finden. Der Begriff des Kaleidoskops ist dafür so gefällig wie immer wieder gern verwendet. Greift man sich aus diesem Assoziationsrahmen den Aspekt des Überraschenden heraus, das auch durch seine Farben besticht, hält der neue dreiteilige Abend des Ballett am Rhein in Düsseldorf nur bedingt, was er verspricht.

Die Uraufführung von „Moto Perpetuo“ reißt das Publikum gleich als erstes zu einem mittleren Begeisterungssturm hin. Das überrascht nicht, liegt allerdings weniger an der Choreografie oder den Tänzer*innen. Der eindeutige Star dieser Arbeit von Iratxe Ansa und Igor Bacovich ist nämlich ganz klar das berückende Bühnenbild von Curt Allen Wilmer und Leticia Gañán. Was zunächst nur wie eine verschlossene Wand wirkt, vor der Márcio Mota hilflos wie einsam sich selbst überlassen ist, entpuppt sich als eine Art Tor im Tor im Tor. Die Wand lässt sich in drei in sich verschachtelte Elemente öffnen, die sich alle um eine gemeinsame Achse drehen lassen. Die Konstellationen und Positionierungen, unter gekonntem Einsatz von Licht, zaubern eine sich ständig verändernde Raumsituation. Offiziell kam die Inspiration dafür von den rostigen Großplastiken Richard Serras, aber das ist für die grandiose Wirkung nebensächlich.  

Fokus auf techischer Umsetzung

Die schwierigen, für das Ohr nicht direkt gefälligen Kompositionen von Domenico Melchiorre und Philip Glass werden von den Düsseldorfer Symphonikern zwar feingliedrig seziert, nur wartet man auf eine spürbare Verbindung mit der Choreografie vergeblich. Das Bewegungsvokabular zeigt nicht durchweg die erwartete Kreativität, wenn auch immer wieder gemeinsam mit dem Bühnenbild beeindruckende Bilder entstehen. Teilweise gleitet das Vokabular sogar leicht ins Klischee ab, als wäre die Aussage im Kern noch unausgegoren. Die ausladenden Gesten wirken teilweise wie ein Selbstzweck, als läge der Fokus allein auf der technischen Umsetzung statt auf der künstlerischen. 

Scheinbar wenig inspiriert mäandern die Tänzer*innen durch diesen Kosmos eines möglichen Traums. Das Psychologisierende dieser Choreografie ist sichtbar, aber kaum spürbar. Die Kongenialität im Ausdruck, sie fehlt hier einfach. Leider ist das der Pferdefuß des gesamten Abends.

Mehr Ausdruck ist dem Ensemble auch in der zweiten Uraufführung, „Invocation“ von Mthuthuzeli November kaum möglich. Der Südafrikaner hat eigenen Angaben zufolge das Neoklassische in der Choreografie hinter sich gelassen; europäisch wirken möchte er in seinen Arbeiten nicht. Das Ergebnis liegt irgendwo dazwischen, wobei November nicht versucht, tatsächliches Bewegungsmaterial aus seiner Kultur umzusetzen. 

Ritus als Opferungsakt

Unter dem angedeuteten Dach eines traditionellen afrikanischen Rundbaus steht Long Zou wortwörtlich im Zentrum, freier Oberkörper, die langen, schwarzen Haare vor dem Gesicht. Im Kreis einer scheinbaren Beschwörung vollzieht sich ein Ritus, der schließlich ein Opferungsakt zu sein scheint. Einflüsse des Contemporary, geerdete Körperlichkeit, Trommeln und dumpfes Dröhnen sind unmissverständlich. Die Kostüme von Yann Seabra atmen dafür eine gewisse Vordergründigkeit: Die Frauen tragen strohartige Kleider mit langen Fransen. Die Männer stecken in hellen Kniebundhosen. Hier den afrikanischen oder indigenen Kontext kaum künstlerisch zu übersetzen, zeigt sich auch in der tänzerischen Formensprache. Die Idee eines Stammesritus, der als solcher ja nicht als Kunstform gedacht ist und per se auf Bewegungen beruht, die wenig Komplexität in der körperlichen Herausforderung mit sich bringt, kann erfolgreich künstlerisch umgesetzt werden und würde auch auf einer solchen Bühne funktionieren. Bestes Beispiel dafür ist Pina Bauschs „Sacre“. Hier aber wirken die Bewegungen unterkomplex und bringen dadurch eine Dramatik mit sich, die man eher in der Operette erwartet. Nur das überraschende Ende schafft es, der Aussage einen größeren Rahmen zu verleihen und dadurch wenigstens die inhaltliche Aussage zu verstärken. 

Trost und Entlohnung liefert am Ende ausgerechnet eine alte Arbeit von 1995. Jean-Christophe Maillot lieferte da bereits mit seinem „Vers un Pays Sage“ eine Hommage an seinen Vater, den Maler Jean Maillot. Mit Farben arbeitet er auch ganz vordergründig, nur bringen hier die Tänzer*innen die Farbe im Ausdruck nur unzureichend mit. In einem glasklar definierten, hellen Raum, der aus nichts als einer einfarbigen Rückwand besteht, agiert das Ensemble ganz in Weiß. Die Farbe dieser Rückwand wechselt immer wieder. Von Blau zu Orange zu Limettengrün. Assoziationen zu Sasha Waltz‘ „In C“ liegen deshalb nahe, werden dieser Arbeit aber nicht gerecht. 

In dieser offenen Geometrie legen die Takte von John Adams eine rasante Struktur vor, ein Ticken, in das die Tänzer*innen wunderbar emotional eintauchen könnten. Aber auch hier bleibt die Präsenz über weite Strecken aus. Selbst das en pointe gelingt angesichts des Schwungs nicht immer. Ein wenig hektisch, fast gehetzt erschien zur Premiere der technische Ansatz. Dabei ist diese Arbeit immens reich an ganz verschiedenen Dialogmöglichkeiten zwischen den Tänzerinnen und Tänzern, voll an Emotionen, die großzügig Raum für Ausdruck bieten. Immer wieder überrascht diese Arbeit choreografisch mit erfrischender Kreativität, die aber in Sachen Interpretation nicht sichtbar auf der Bühne gelebt wird. Ob das am Premierenfieber lag, ist schwer auszumachen. In jedem Fall ist hier beim Ensemble noch einiges an Luft nach oben, die Arbeiten mit Farbe im Ausdruck zu füllen. 

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