Zwischen Beifall, Erstaunen und Gemeinschaftsgefühl
Battle-Formate beim Hip Hop- und Housedance-Festival Flavourama
Flavourama – das Hip Hop- und Housedance-Festival in Salzburg
von Katharina Bachleitner
A Flavourful Night
Der dunkle, vom Regen nasse Asphalt prägt den Weg vom Bahnhof zur Genusskrämerei in Hallein. Dunkelgraue Wolken hängen über der Salzach. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass ich in zwei Minuten am Ziel bin. Die Unsicherheit, die ich beim Navigieren an noch unbekannte Orte trotz Smartphone habe, weicht plötzlich: Dumpfe Klänge breiten sich aus einem Innenhof aus - hier muss es sein!
Es bleibt noch kurz Zeit, den Amapiano-Klängen von DJ Lynée Denise zu lauschen, bevor alle Anwesenden aufgrund der unsicheren Wetterlage in die Innenräume des Lokals gebeten werden. Im Laufe des Abends gibt es zwei kurze, improvisierte Performances von zwei Teilnehmern des vorangegangenen Retreats. Nam Tran Xuan (Namzou) und Duc (Educate) begeistern das Publikum mit ihrem Sinn für Körperkomik und geschickter Partnerarbeit. Beispielsweise wird kurzerhand eine Schreibtisch-Lampe in die Aufführung miteinbezogen und die beiden Tänzer kämpfen um das Recht, sie an- und ausknipsen zu dürfen. Dabei fusionieren sie Hip-Hop-, House- und Contemporary-Elemente und bewegen sich in mehreren Ebenen: Oft finden Übergänge fließend zwischen der Arbeit am Boden und zackigen, rapiden Bewegungen im Stand statt.
Zwischen den Darbietungen versuche ich kläglich, meine House-Basics auf der Tanzfläche zu erproben. Ich genieße die Musik und knüpfe neue Kontakte. Es ist der einladende Rahmen der Genusskrämerei, der eine offene Atmosphäre schafft. Das Team von Flavourama und die Besucher*innen lassen den Abend bei regem Austausch ausklingen. Ein gelungener Abschluss für das Retreat als auch ein anregender Vorgeschmack für das folgende Format „Flavourama Performatory“!
Flavourama Performatory
Donnerstagabend in der ARGEkultur Salzburg: Dieses Mal keine Unsicherheit bei der Navigation - die ARGE befindet sich schließlich neben dem Unipark. Schon bevor ich in das Gebäude trete, wird draußen bei einer kleinen Hip Hop-Session im Freestyle ein gegenseitiger Austausch unter Tänzer*innen präsent. Es macht sich ein warmes, vertrautes Gefühl in mir breit.
Die Moderation an diesem Abend gestaltet die Tänzerin und Choreografin Niki Awandee. Sie ist diejenige, die zwischen den drei Darbietungen der zusammengewürfelten Gruppen bestehend aus Musiker*innen, DJs und Tänzer*innen mit dem Publikum kommuniziert und im Anschluss das Gespräch mit den teilnehmenden Künstler*innen leitet. Diese präsentieren ihre größtenteils improvisierten Arbeiten.
Ein Highlight – in zwei Gruppen wird dabei sogar live musiziert: Die Gruppe Orange Mun verzaubert die anwesenden Rezipient*innen mit flächigen House-Klängen und eindrucksvoll verzerrtem Gesang. (Um ehrlich zu sein: Die Stimme der Sängerin hat mich zu Tränen gerührt.) Währenddessen scheinen die Tänzerinnen Dominique (Mademoiselle Do‘) und Darya (Spaceliberta) mit House-Schritten über die Fläche zu gleiten. In einer anderen Gruppe entlockt der Pianist Bongjin Jung seinem Instrument komplexe, jazzige Akkordfolgen. Namzou und Educate lassen sich zu diesem Sound auf einen Austausch mit der Tänzerin Lilli Huttula und ihren Voguingkomponenten ein.
Anschließend berichten die Künstler*innen im Gespräch von der Schwierigkeit, schnell Entscheidungen in der Gestaltung zu treffen und die dabei entstehende Unsicherheit. Der Abend endet bei entspannter Atmosphäre in der ARGE mit selbstgemachten Snacks und DJ-Klängen aus der Salzburger Community.
Flavourama Voices
Wie schafft man sichere Räume für Hip Hop und House Dance? Wie ändert man Machtstrukturen in Bezug auf diese Tanzformen z.B. im Theater? Diese Fragen wurden im Gespräch mit den Tänzer*innen Marie Kaae und Luc Ndikubwimana zusammen mit der DJ Lynée Denise und der Moderatorin Niki Awandee besprochen.
Die drei Sprecher*innen vertreten unterschiedliche Positionen als Tänzer*innen, DJ und Aktivist*innen. So betont Lynée Denise bei der Arbeit mit afrodiasporischer Kunst die Wichtigkeit, zwischen cultural appropriation und cultural appreciation zu unterscheiden und neben der künstlerischen Arbeit die Person, die sie erstellt, hervorzuheben. Die House-Tänzerin Marie Kaae rät (BI)PoC-Künstler*innen, sich selbst treu zu bleiben und ihre Kunst nicht an die Erwartungshaltung von Personen in Machtpositionen anzupassen. Es hilft, so Luc Ndikubwimana, generalisierende Haltungen zu afrikanischer und afrodiasporischer Kunst aufzubrechen, indem man ihre Herkunft – jenseits kolonialer Grenzen – benennt und anerkennt.
Insgesamt verlasse ich den Talk mit frischem Input und finde, dass der Raum des Museums der Moderne noch einmal mehr die Notwendigkeit hervorhebt, über künstlerische Arbeit aus dem Street- und Clubstylesbereich in Verbindung mit institutionellen Arbeitgeber*innen zu sprechen und kritisch zu reflektieren.
Abschließend kann ich sagen, dass sich ein Besuch dieses Tanzfestivals abseits der großen Battles wirklich lohnt und neue Perspektiven eröffnet. Selbst wenn man zum ersten Mal dabei ist, dauert es nicht lange, bis man bekannte Gesichter trifft oder neue kennenlernt. Bei den diversen Formaten, die angeboten werden, ist für jede interessierte Person etwas dabei. Außerdem werden die Formate jedes Jahr ein wenig verändert. Für alle Neugierigen und die, die gerade zu solchen geworden sind: Der nächste September in Salzburg ist nicht weit – auf gehts!
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