„American Way of Dancing“

in der Staatsoper

oe
Berlin, 26/10/2001

Eine Wiederholungsvorstellung des Premierenprogramms vom 8. September vor, wohlwollend geschätzt, zwei Drittel vollem Haus (immerhin). Wieder, wie schon bei der Premiere allseits moniert, ausschließlich zu Tonbandmusik (was alle drei Choreografen bei ihren eigenen Kompanien nie toleriert hätten) – übrigens diesmal ohne Entschuldigung, weil die Staatskapelle gerade woanders musizierte. Das Programm hatte ursprünglich anders ausgesehen: nach Balanchines „Serenade“ (als Berliner Ersteinstudierung via Brigitte Thom) und vor den als europäische Erstaufführung annoncierten „Variations on a Theme by Haydn“ von Twyla Tharp hatte eigentlich Robbins´ „In the Night“ stehen sollen – doch das vereitelte München mit seinem ius primae noctis.

So gab es statt dessen ein Revival von Peter Martins´ „Fearful Symmetries“. Das ergab keine gute Programmzusammenstellung, denn Martins und Tharp sind sich trotz einiger Tharp'scher ironischer Schlenker zu ähnlich. Bei Martins fragt man sich, was denn an diesen Symmetrien so furchterregend sein soll (wie auch schon bei John Adams, der seiner Musik diesen Titel gab) – hier ist ja alles so ausgesprochen penibel berechenbar und routiniert. Tharps Choreografie ist danach von einer bestürzenden Banalität, ohne jegliche Tiefenschärfe an der Brahms-Musik entlang choreografiert, ohne jeglichen Witz, erstaunlicherweise auch handwerklich inakzeptabel in den mühselig zusammengeklitterten Satzübergängen, ohne die von der Musik so nachdrücklich geforderte Schlussapotheose. (Es gibt zu denken, was Balanchine aus diesem grandiosen Finale gemacht hätte). Einzige Ausnahme ist das der Melancholiker-Variation in Balanchines „Four Temperaments“ angenäherte Solo-Entree eines Jungen (ich kann leider nicht mehr sagen, in welcher der brahmsschen Variationen – und ich weiß auch nicht, wer der exzellente Junge in diesem kurzen Solo war, zu dem das Corps dann rasch aufschließt). Nein, diese Twyla Tharp der B-Klasse nach Europa zu importieren, bestand wahrlich kein Anlass – da hatte ihr „Push Comes to Shove“ in Zürich entschieden mehr Pfiff.

Die Kompanie präsentierte sich an diesem Abend in passabler Form, aber deutlich hinter Stuttgart, Hamburg und München rangierend. Balanchine hätte gut ein paar zusätzliche Proben vertragen. Übrigens habe ich diese erste „Serenade“ nach dem 11. September mit ganz anderen Augen wiedergesehen – eher als eine „Aureole“, als Balanchines Gruß an eine neue, schönere Welt aus der Perspektive – 1934! – eines sich zunehmend verfinsternden Europas – die Utopie einer harmonischen Welt vor dem Sündenfall des 11. September 2001.

Die Tänzer bereiteten mir große Identifizierungsschwierigkeiten (wohl weil ich sie so selten zu sehen bekomme). Ich muss gestehen, dass ich selbst Beatrice Knop nur deshalb erkannt habe, weil sie – mit Jas Otrin als Partner – an der Spitze des Personenzettels bei den „Fearful Symmetries“ stand. Lediglich die Auftritte Margaret Illmanns (in „Serenade“ und den Haydn-Variationen – beide Male mit dem attraktiven Ronald Sarkovic als Partner) bewirkte bei mir so etwas wie einen Adrenalin-Schub. Nicht zu verkennen war allerdings, dass Martins und Tharp den Tänzern ausgesprochenes Vergnügen bereitet haben, dass sie sich mit Gusto in diese Choreografien gestürzt haben. Da wird Malakhov enorm zu tun haben, den durchaus nicht unsympathischen Tänzern der Staatsoper so etwas wie eine Kompanie-Identität anzuerziehen.

Nach der Vorstellung ein ziemlich flaues Gefühl – eigentlich ein herzlich nichtssagender Theaterabend. Ganz im Gegensatz zur gestrigen Vorstellung am gleichen Ort: Franz Schrekers Oper „Der ferne Klang“ – ein aufregendes, in seiner Zwiespältigkeit geradezu verstörendes Werk in einer rundum stimmigen Modellproduktion (wie ein paar Tage zuvor in Zürich Mussorgskys „Chowanschtschina“). Warum nur verlasse ich neuerdings nach so vielen Ballettvorstellungen (von den Tanztheatervorstellungen ganz zu schweigen) so oft das Haus mit dem Gefühl apathischer Nichtbetroffenheit (allerdings nicht bei John Neumeier in Hamburg), während mich – gute Opernvorstellungen – in einen unglaublichen Erregungszustand versetzen?

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