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Abschied von Elena Pankova und Robert Tewsley mit "Manon"
Wieder wird einem bewusst, wie viel Kenneth MacMillan doch von John Crankos Abendfüllern gelernt hat – allerdings auch, wie sie sich in ihren künstlerischen Temperamenten unterschieden haben. Cranko war sicher der dramatischere, impetuosere, hemdsärmeligere der beiden Choreografen – an die theatralische Wucht seiner besten Ballette, seines „Romeo und Julia“ und seines „Onegin“, kommt MacMillan nicht heran, der andere Tugenden hat: sein dramaturgisches Raffinement, seinen musikalischen Geschmack, seine handwerkliche Präzisionsarbeit. Alles ersichtlich an seiner „Manon“ an einem ihrer letzten Abende in München, denn die Ausstattung war nur ausgeliehen und geht jetzt wieder nach Wien zurück.
Der Abend, angekündigt als Abschiedsvorstellung von Robert Tewsley und Elena Pankova, die in der nächsten Spielzeit nur noch einen Gastvertrag in München hat, bestätigt erneut die Distinktion und Eleganz der Münchner Kompanie, ihr klassisches Ebenmaß, die fabelhafte Harmonie des Corps´, das bewundernswert reiche Reservoir an persönlichkeitsstarken, reifen Solisten (Maria Eichwald, Alen Bottaini, Peter Jolesch, Silvia Confalonieri, Sherelle Charge). Doch wenn ich zurückdenke an die Abschiedsvorstellung von Tewsley in Stuttgart: Da erreichte die Stimmung auf der Bühne und im Saal doch ganz andere Siedegrade.
Das liegt nicht zuletzt auch an der Rolle des Des Grieux, in der Tewsley mehr denn in „Onegin“ als brillanter und lupenreiner Virtuositätstechniker gefordert ist, geradezu ein Modelltänzer der klassischen englischen Schule, dessen Linienausgewogenheit, der Weichheit und Kantabilität seines Stils, den Schlussakzenten seiner Enchaînements zuzusehen, ein reiner Genuss ist. Er tanzt wie Bellini komponiert hat, ein Repräsentant der Bella danza. Als Charakter bleibt er indessen in „Manon“ auch in seiner tiefsten Verzweiflung am Schluss, mit der sterbenden Manon in seinen Armen, immer der gerade aus dem Priesterseminar entlassene Vorzugsschüler. Kein Vergleich mit der Differenziertheit, mit der er den Charakter Onegins seziert, dessen Schluss er, abgewiesen von der Frau, die er zu spät als die Frau seines Lebens erkennt, gleichsam mit offenem Herzen tanzt. Schade, dass er nun nicht mehr regelmäßig bei uns tanzt – doch es besteht ja die Hoffnung, dass er uns als Gast auch weiterhin zumindest gelegentlich beglücken wird.
Unverständlich – wie der Fall Illmann in Stuttgart –, warum sich Ivan Liška von Elena Pankova trennt. Wieder so ein Fall der nicht stimmenden Chemie? Denn das Bayerische Staatsballett, so reich mit individuellen Solisten ausgestattet, verfügt über keine andere Ballerina von ihrer genuinen Nobilität, in der bei jedem Schritt, jeder Pose, jeder Bewegungssequenz, jedem Schlusspunkt die Distinktion ihrer russischen Schulherkunft durchschimmert. Es gibt ganz sicher kapriziösere Manons – nicht nur auf der Opernbühne, sondern auch im Ballett, gleichwohl nimmt sie durch ihren angeborenen Adel für sich ein, eine Ballerina, die von einem Hauch leicht degenerierter Sinnlichkeit und einer ungemein zarten und verletzlichen Feminität umgeben ist. Pankova ist der Inbegriff einer spezifisch Münchnerischen tänzerischen Kultiviertheit, die von ihr auf die ganze Kompanie ausstrahlt – und durch die sich das Bayerische Staatsballett von allen anderen deutschen Truppen unterscheidet.
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