Goldmarks „Königin von Saba“

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Mannheim, 13/05/2002

Karl Goldmarks „Königin von Saba“, Oper in vier Akten aus dem Jahr 1875, gehörte bis 1933 auch zum Stammrepertoire der deutschen Opernhäuser, wurde von Dirigenten wie Gustav Mahler, Arturo Toscanini und Bruno Walter geschätzt und wartet mit einer Tenor-Glanz- und Zitterpartie für Superstars à la Enrico Caruso oder Leo Slezak auf. Die Nazis haben es geschafft, sie völlig aus dem Gedächtnis zu verdrängen – bis auf die eine Arie „Magische Töne“. Jetzt hat es – nach Dortmund 1998 – wieder einmal eine der auch international sehr selten gewordenen Neuinszenierungen gegeben: am Nationaltheater Mannheim. Sie besticht vor allem durch die Glanzleistung des Orchesters unter der Leitung seines Generalmusikdirektors Adam Fischer.

„Die Köngin von Saba“ gehört zur Gattung der Grand Opéras – ist stilistisch und auch thematisch irgendwo zwischen Meyerbeers „Afrikanerin“, Wagners „Tannhäuser“ und Verdis „Aida“ anzusiedeln und besticht nicht zuletzt durch ihr orientalisch-jüdisches Kolorit. Als solche verlangt sie – natürlich – auch nach großer Ballettbeteiligung. Namentlich ihr „Bienentanz“ erfreute sich außerordentlicher Popularität – in Wien ließen es sich Ballerinen wie Henriette Mauthner, Irene Sironi, Cecilia Cerri, Else von Strohlendorf und Gusti Pichler nicht nehmen, damit Furore zu machen.

Nicht so in Mannheim. Dort sucht man auf dem Besetzungszettel vergeblich nach dem Namen eines Choreografen oder einer Choreografin – dafür findet man dort einen Dramaturgen. Und auch von einer Beteiligung des Balletts ist nicht die Rede – das bisschen Herumgewedele mit Tüchern (wie im Wiener „Spartacus“) besorgen ein paar Statistinnen.

Ich finde das schade, es bestätigt aber natürlich die allgemeine Misere, dass sich unsere heutigen Ballett- oder Tanztheaterensembles offenbar zu fein sind für eine Mitwirkung an Operninszenierungen (das ist in Stuttgart nicht anders als in München oder Zürich – Ausnahme: Wien mit Rossinis „Wilhelm Tell“, Wagners „Rienzi“ und Meyerbeers „Prophet“). Meist werden die vom Komponisten geforderten Balletteinlagen ganz gestrichen, oder man engagiert ein paar externe Tänzer. Nur die kleinen Theater, die kein Geld haben, setzen bei solchen Gelegenheiten (und besonders in den Operetten- und Musicalaufführungen) ihre eigenen Tänzer ein.

Ich bedaure das außerordentlich. Wenn ich an meine ersten Theaterbesuche denke, im Zweiten Weltkrieg und auch danach noch, waren die Balletteinlagen in solchen Grand Opéras echte Höhepunkte. Davon kann heute kaum noch die Rede sein. Meist kaschieren sie nur die Verlegenheit der Regisseure, die nicht recht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Die reden zwar heutzutage gern großspurig von „Cross-over“-Produktionen, arbeiten aber lieber mit Schauspielern oder Tänzern der Off-Szene (wie Kresnik im Straßburger „Fürst Igor“) und enthalten dem Publikum schlicht das Ballett vor. Nur bei den Russen gehört die Teilnahme der Ballettkompanie an den großen Operninszenierungen noch zu den Selbstverständlichkeiten der Aufführungspraxis. What a pity!

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