Das St. Petersburger Ballett-Theater Boris Eifman mit „Who's Who“

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Ludwigsburg, 26/09/2003

Zum x-ten-Male also das St. Petersburger Ballett-Theater Boris Eifman bei der alljährlichen Ballett-Stagione der Stuttgarter Kulturgemeinschaft zu Gast im Ludwigsburger Forum am Schlosspark – als ob's nicht auch andere Truppen mit abendfüllenden Power-Produktionen gäbe (wie wär's denn mal mit Uwe Scholzens Leipziger „Rot und Schwarz“?).

Diesmal also mit „Who's Who –  Aus dem Leben russischer Emigranten in Amerika“, Ballett-Musical von Boris Eifman – frei nach Billy Wilders filmischer Gaunerkomödie „Some Like it Hot“. An Stelle der arbeitslosen Musiker im Film sind's in Eifmans Balletical zwei russische Emigranten-Tänzer der zwanziger Jahre, die als Frauen verkleidet in einer Damenrevue „The Show Girls“ unterkommen. Mit den üblichen Verquickungen zum Gangstermilieu und den zwangsbedingten erotischen en-travestie-Kungeleien.

Das ist Broadway von der Newa sozusagen, uraufgeführt vor einem halben Jahr im City Center in New York und daselbst ein Riesenerfolg – selbst bei Kritikern wie Kisselgoff und Barnes. Volles Haus zur Halbzeit der zehn (!) Vorstellungen in Ludwigburg – das Publikum beklatscht freundlich fast jede Nummer und hinterher ausgiebig die ganze Kompanie, inklusive ihrem Chef. Der hat sich weidlich umgesehen und sein Ballettical aus allen möglichen Musical-Bausteinen zusammengebastelt: von „On Your Toes“ über „Kiss Me, Kate“ und „Anatevka“ bis zu „Cabaret“ und „Chicago“ samt Holiday-on-Ice-Reminiszenzen (in den Pas de deux – sozusagen auf Trockeneis) – das ist handwerklich proper arrangiert, mit den bewährten Eifman-Formations-Choreografien, viel Herummarschiererei, hier nun auf Revuereihen getrimmt – aber doch alles aus zweiter Hand, synthetisch – und leider ganz ohne die leichte Hand eines Lubitsch („Ninotschka“) oder eben Billy Wilder – und ganz ohne Humor.

Selten so wenig gelacht in einer Komödie! Am interessantesten die Choreografie des Bühnendekors von Slawa Okuniew – wie der seine Grundelemente ständig in Bewegung hält und verwandelt (und beleuchten lässt), ist einfach fantastisch! Die Tänzer stürzen sich mit Karacho in ihre Partien – offerieren ein Powerhouse an tänzerischer Energie, schmeißen die Beine, spreizen sich im Spagat, wackeln mit Hüften und Hintern und geben sich auch sonst ganz Newsky-lasziv. Und haben eine Ballerina dabei, Wera Arbusowa, mit Beinen, mit denen sie mühelos jeden (jeden!) Mann einwickelt – mitsamt einem rasanten Table-Stepdance à la Folies du Kremelin (auch wenn sich der nicht in St. Petersburg, sondern in Moskau befindet). Im Übrigen erinnere ich mich, viel mehr gelacht zu haben vor ein paar Jahren bei einem Ballett „Some Like it Hot“ von Libor Vaculic im Prager Ständetheater.

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