Plädoyer gegen Rassismus im Tanz
Neu erschienen: die Biografie des kubanischen Tänzers Osiel Gouneo
Das Wiedersehen mit der vielgeliebten Münchner Ex-Ballerina Elena Pankova an der Seite ihres Mannes Kyrill Melnikov, Erster Solist am Bayerischen Staatsballett, haben wir uns anders vorgestellt. Beide hatten die Geschäftsführung des Deutschen Theaters von ihrer Idee überzeugen können, ein russisches Volksmärchen zur Uraufführung zu bringen, das in der Neugestaltung von Alexander Puschkin als „Das Märchen vom Zaren Saltan“ und seinem Sohn, dem berühmten und mächtigen Heldenfürsten Gwidon Saltanowitsch und der wunderschönen Schwanenprinzessin, Kinder ebenso anspricht wie weise Literaturliebhaber.
So hoffte man, einmal etwas Vernünftiges in diesem Haus zu sehen, zumal man wirklich nur empfehlen kann, Puschkins Kabinettstück von einem Märchen nachzulesen. Doch was wurde aus dessen Struktur?! Die Wiederholungen mit ihren reizvollen Varianten, die erst nach mehreren vergeblichen Versuchen den Prinzen Gwidon mit seinem Vater, dem Zaren Saltan, wieder zusammenführen, hätten doch Anlass zu so schönen Pas de deux Gwidons mit der verzauberten Prinzessin geben können, die den Zarensohn mit ihrer Zauberkraft befähigt, aus seinem neuen Reich übers Meer in die Heimat zu fliegen.
Doch das selbstgestrickte Libretto gönnte uns die Anwesenheit der Stars im ersten Akt fast gar nicht. Die eigentlich rasch abzuhandelnde Vorgeschichte, dass der Zar aufgrund der argen Falschmeldung, die Zarin habe ihm während seines Feldzuges ein Monster geboren, seine Frau mit diesem Sohn in die Verbannung zwingt, ist so breit gestaltet, dass wir mit Gwidon und seiner Mutter in der Pause erst in dem Fass sind, in dem die beiden endlich ihrer Zukunft entgegentreiben. Hinter uns liegen Betulichkeit, Klamauk, rätselhafte Pantomimen und viele leeren Gesten. Die Tänzer des „Klassischen Balletts St. Petersburg“ retteten sich anscheinend immer dann in Folklore oder Räderschlagen, wenn sie aus der Balance der klassischen Form zu kippen drohten. Eine unsagbare Ausstattung mit Pappwölkchen wie Widderhörnern und billigen Tüchlein reizte zum Schmunzeln. Die konventionelle Choreographie (Dimitri Katunin) ging gegen Null.
Hätte es nur den zweiten Akt gegeben, wäre es nicht so schlimm gewesen. Da gab es immerhin den Pas de trois, in dem Gwidon den Schwan vor dem Raubvogel rettet, was ihm die verzauberte Prinzessin mit Schloss und Herrschergewand lohnt. Es gab Gwidons schön getanzte Vision vom Zusammensein seiner getrennten Eltern und die im Pas de deux geweckte Liebe zum verzauberten Schwan. Es gab auch die dem Bauchtanz benachbarten Einlagen einer drei Schönheiten darstellenden Tänzerin, die natürlich vergeblich mit Gwidon flirten.
Durchgängig gefällig war die vom St. Petersburger Ensemble „Art Kontrast“ für verschiedene Balalaikas und Domras arrangierte und auf der Bühne live gespielte Musik von Rimskij-Korsakow, Tschaikowsky und Mussorgski. Ein kleines Balalaika-Solo schuf eine schöne elegische Stimmung, als die bösen Schwestern mit ihrem Unwesen dem alternden Vater-Zaren zusetzten und ihn krank machten. Und viele sahen darin den Hit des Abends, als Melnikov als Springhummel in sexy Radlerhose mit schwarz-gelb gestreiftem Trikot, Schulterflügelchen und Schweißerbrille das Meer aus Bühnennebel mehrfach überquerte. Natürlich hat auch Pankova als Schwan sehr schön getanzt, aber immer die gleichen Bewegungen. Erst ganz am Ende wird sie aus ihrem Schwanensack befreit und tanzt mit Gwidon und neuen Bewegungen ausdrucksvoll der finalen Hochzeit entgegen. Es soll keineswegs verschwiegen werden, dass kritische Eltern glaubhaft versicherten, dass ihre Kinder hellauf begeistert waren. Aber dazu müsste man wohl unter zehn Jahre alt sein und mehr Nachmittagsvorstellungen finden.
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