Ein Nachwort zur US-Tournee des Stuttgarter Balletts

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Stuttgart, 09/06/2003

Wir haben die durchweg positive Zustimmung zu den Vorstellungen des Stuttgarter Balletts auf seiner Amerika-Tournee in Ausschnitten aus Kritiken der Provinz-Gazetten gelesen. Jetzt (schon jetzt!) erreicht uns die Juli-Ausgabe des amerikanischen Dance Magazine, in der Mary Ellen Hunt über eine Vorstellung aus der Jackson Hall im Mondavi Center for the Performing Arts aus Davis, California, berichtet. Miss Hunt schreibt über die Vorstellung vom 25. März, auf deren Programm drei Ballette von Stuttgarter, beziehungsweise Ex-Stuttgarter Choreografen standen. Während sie den Stuttgarter Tänzern im allgemeinen hohes Lob zollt, haben sie die Stuttgarter Choreografen offenbar nur bedingt beeindruckt.

Douglas Lees „Cindys Gift“ rechnete sie zu den interessanteren, gleichwohl irritierenden Stücken des Programms. Sie beschreibt das Ballett, hatte dann aber das „überwältigende Gefühl, dass wir nie ganz verstehen sollten, worauf es Lee denn nun eigentlich ankam. Wenn man jedoch davon absah, die Verbindung zwischen der Bewegung, dem Text, dem Gift und Cage zu analysieren, konnte man sich an mancherlei erfreuen. Obgleich sich das Werk ostentativ avantgardistisch gibt und wenig Überraschendes in seinem experimentellen Look und intellektuellen Konzept zu bieten hat, bewegten sich die Tänzer artikuliert, wenn sie sich oft in schönen Formationen und Bewegungsphrasierungen entfalteten.“

Christian Spucks „the seventh blue“ nennt sie „tempogeladen und athletisch“, und dass es auf diese Weise „das klassisch-bis-eurotechnische Gefühl“ der Musik reflektierte. Im Grunde scheint ihr nur Bridget Breiner gefallen zu haben, die „dank ihrer schieren Leichtigkeit und ihrem Selbstvertrauen die choreografischen Verrenkungen faszinierend erscheinen ließ“. Amatrirain war es dann, „die der repetitiven und pedantisch musikalischen Choreografie in Scholzens ‚Siebter Sinfonie‘ einen Schuss bitter nötigen Glamours verlieh ... Scholzens Interpretation von Beethovens Siebter Sinfonie sorgte für ein rauschendes Finale, doch choreografisch hat er schon Besseres geliefert. Seine Arbeit ist gekennzeichnet durch einen einfallsreichen Neoklassizismus, doch hier schien er sich mit einem minimalistischen Ansatz zu begnügen, in dem jede Phrase, jeder Auftritt mit nur minimalen Variationen wiederholt wurde, bis die meisten Zuschauer hätten aufstehen und die Schritte selbst ausführen können.“

Schade, dass die Dame nicht auch Daniela Kurzens „Schere Stein Papier“ und Kevin O´Days „dreamdeepdown“ sehen konnte, denn „dieses Programm stimmte einen nachdenklich, wie viel mehr diese begabten jungen Tänzer zu leisten imstande wären.“ Die Originalkritik kann man übrigens im Internet nachlesen – und zwar unter www.dancemagazine.com. Und noch eine Korrektur zu meinem kj über die jüngste Stuttgarter Ballettpremiere! Nein, ich bin nicht farbenblind – und so hatte ich durchaus registriert, dass Wayne McGregors „Nautilus“ in einem mit blauen Neonröhren bestückten Raum beginnt. Doch die Beleuchtung ändert sich im Laufe des Stücks zu einem Blaugrün, also zu Türkis – und da Türkis meine Lieblingsfarbe ist (besonders in der Form der Ostereier, die Fabergé für den Zaren von Russland schuf – ich bin aber auch kolossal beeindruckt von den mächtigen Vasen in der St. Petersburger Eremitage), hatte ich das Blau des Anfangs schlicht verdrängt. Nichts für ungut!

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