Portrait John Neumeier

oe
München, 27/03/2003

Zum Auftakt der Ballettwoche 2003 auf Ivan Liškas Choeografen-Portraitschiene nach Hans van Manen und Jiří Kylián nun also der ohnehin im Münchner Repertoire dominierend vertretene John Neumeier (gefolgt, in der nächsten Spielzeit, von Mats Ek). Der hatte ursprünglich eine Erweiterung seines „In the Blue Garden“ (zu Ravels „Ma mère l‘oye“ aus seiner Ravel-Trilogie „M.R.“) geplant. Daraus ist nichts geworden, stattdessen gab es jetzt als Dreiteiler einen Querschnitt durch 20 Jahre seines Oeuvres: „Dämmern“ (Skrjabin, 1972), „In the Blue Garden“ (1994) und „Jupiter-Sinfonie“ (Mozart, 1991).

Als Verbindungsglieder dienen: erstens die exquisite Musikwahl in hochkarätiger Wiedergabe: Skrjabin gespielt von der Pianistin Svetlana Behrisch, Ravel und Mozart vom Bayerischen Staatsorchester unter Oliver von Dohnányi) – zweitens die Farbe Blau (da hätte ich mir ein dekoratives „Link“ zu Picacco oder Yves Klein gewünscht – auch ein Kugelschreibergraffitti à la Jan Fabre könnte ich mir vorstellen) – und drittens eine mysteriöse Figur in lang wallendem Mantel (wie zuletzt in Neumeiers „Winterreise“), teils Ahasver, teils Wotan/Wanderer, ein bisschen wohl auch Neumeier selbst und – erstaunlicherweise – offensichtlich ein Exhibitionist. Dieser anonyme Er, der nur im Ravel als realer Charakter auftritt (Norbert Graf), in den beiden anderen Stücken – gottlob! – nur ganz am Schluss bei Skrjabin und (verwandelt als Sie) vor dem Mozart, erscheint mir an den Haaren herbeigezogen und herzlich überflüssig.

„Dämmern“ immerhin und auch der Ravel‘sche Rätselgarten sind sicher Schlüsselwerke in Neumeiers umfangreichen Oeuvre – „Dämmern“ als subtiles Geflecht der fluktuierenden Beziehungen zwischen dreizehn Tänzern (darunter immerhin Kusha Alexi, Lisa Cullum, Maria Eichwald, Norbert Graf, Cyril Pierre und Moret Gonzalez) aus der Nachbarschaft von Crankos „Brouillards“ und Robbins‘ „Dances at a Gathering“ – „In a Blue Garden“ eine wundersam poetische Wanderung durch die labyrinthischen Mäander eines Irrgartens, den ich mir in der Umgebung von König Arkels Schloss Allemonde („Pelléas et Mélisande“) vorstelle. Mozart war schon bei der Hamburger Uraufführung im Rahmen des „Fenster zu Mozart“-Programms ein Flop, und er war es, in so erlauchter Umgebung eher noch ärgerlicher jetzt in München: unmusiklisch, ohne Struktur, ohne Zielgerichtetheit, ein Patchwork aus lauter choreografischen Lego-Teilen und viel Turnerei.

Wenn es denn ein Neumeier-Dreiteiler sein sollte, würde ich für „Dämmern“, „Now and Then“(Ravel) und für einen größeren Ausschnitt aus einem seiner dramatischen Abendfüller („Nijinsky“, „Die Möwe“) plädieren. Ich weiß nicht, wie weit Liškas Pläne reichen (in der nächsten Spielzeit wird es wohl außer dem Mats Ek Porträt noch Béjarts „Ring um den Ring“ geben). Wünschen würde ich mir, er würde die Choreografen-Reihe danach mit Mark Morris fortsetzen – nicht gerade einer meiner Favoriten, aber auch er ein genuin musikalisch motivierter Choreograf, der das so erfreulich musikalisch determinierte Münchner Repertoire um eine interessante Persönlichkeitsfarbe erweitern könnte!

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