Sag' zum Abschied lautstark „Dutch“

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Stuttgart, 10/03/2003

Die letzte Vorstellung vor der Amerika-Tournee des Stuttgarter Balletts. Da hätte die Direktion keine bessere Wahl treffen können als mit dem „Dutch Dance“-Programm – eindeutig gegenwärtig der große Publikums-Favorit unter den mehrteiligen Angeboten der Kompanie. Und so schien denn auch ganz Ballett-Stuttgart im Schauspielhaus vertreten, um seine Lieblinge zu verabschieden. Vor der Pause streng mit Van Manen („Große Fuge“) und Kylián („Nuages“ und „No More Play“) und nach der Pause dann mit den beiden Comedy-Boys Galili („Mono Lisa“) und Lightfoot („Skew-Whiff“).

Die Stuttgarter Tänzer in Hochform: knisternd erotisch bei Van Manen, sehnsuchtsvoll-schwelend Breiner und Conn im Kylián-Pas-de-deux und die fünf Spurensucher Yseult Lendvai und Sue Jin Kang, Jason Reilly, Filip Barankiewicz und Marijn Rademaker in den Verrätselungen des Niemandslandes von Giacometti und Anton Webern. Und dann in Party- und Sektlaune: zuerst Alicia Amatriain und Reilly als Sex-Sparringspartner, wobei sie ihre Beine als Raketen einsetzt, die aber an seinem Muskel-Panzer abprallen – und dann die drei Elektroschocker Jorge Nozal, Eric Gauthier und Alexander Zaitsev mit ihrem Troglodyten-Schlurfschritt nebst Katja Wünsche als Objekt ihrer unsittlichen Begierden. Und wieder der funkenstiebende Dialog zwischen denen oben auf der Bühne und uns, die wir kaum stillsitzen konnten unter den Stromstößen, die die Tänzer in immer stärkerer Dosierung ins Publikum sandten.

Eigentlich hätte man gewünscht, dass die Politiker des Landtags geschlossen diesem Ballettabend beigewohnt hätten (aber dann wären ja die Stuttgarter Ballettfreunde ausgeschlossen gewesen – und es steht doch sehr zu bezweifeln, ob die Tänzer mit den Politikern so direkt kommuniziert hätten wie sie das mit ihrem hiesigen Normalpublikum tun). Damit die einmal miterlebt hätten, was hier in Stuttgart über die Jahre herangewachsen ist – und entsprechende Schlussfolgerungen ziehen könnten, wenn demnächst die Theaterzukunft der Stadt und die Verlängerung der Intendantenverträge zur Disposition steht. Wobei uns die Verlängerung des Anderson-Vertrags noch ein bisschen mehr am Herzen liegt als die Zukunft seiner Intendanten-Kollegen. Und das nicht zuletzt im Hinblick auf die internationale Marktsituation, was die Ballettdirektoren angeht.

Wie werden wir die nächsten sieben Wochen ohne „unsere Stuttgarter“ überleben? Besonders erfreulich, dass sie in ihren 27 Vorstellungen in zehn Städten zwischen San Francisco und New York außer Crankos unverwüstlichem „Romeo und Julia“ nicht weniger als zehnmal gemischte Programme mit Balletten von Christian Spuck, Douglas Lee, Daniela Kurz, Uwe Scholz und Kevin ‚´Day tanzen (im New Yorker City Center sogar viermal ausschließlich diese mehrteiligen Abende). Also denn: Good Luck und Toi-toi-toi für die große Transatlantic Expedition! Und wir werden also fasten und betrachten die Zäsur als unser Ballett-Ramadan!

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