Neues Generationen-Team
Raimondo Rebeck und Kristína Paulin übernehmen das Staatsballett Karlsruhe
Wunder wiederholen sich nicht! Und doch gleicht dieser 17. Dezember 2004 dem 26. März 1966 auf ein Haar. Damals ertanzte sich das junge Stuttgarter Ballett mit der Einstudierung von Peter Wrights „Giselle“ (nach Marius Petipa, Jean Coralli und Jules Perrot) sein Klassikerdiplom. Und genau so geschah es am Freitagabend im Großen Haus des Badischen Staatstheaters, wo die Kompanie von Birgit Keil ihren bisher größten Triumph feierte – in der zweiten Spielzeit ihrer Neuformierung. Und diejenigen, die schon vor 34 Jahren in Stuttgart dabei waren, fühlten sich um die Hälfte ihrer Jahre verjüngt, inklusive eines strahlenden Sir Peter. Ballett im Glück pur!
Zu verdanken war das einer mustergültigen Produktion, mit so viel liebevoller Einfühlung auf Hochglanz poliert vom Wright-Adlatus Dennis Bonner, gerade auch in den hoch sensiblen pantomimischen Rezitativen, so feinfühliger Musikalität, so erzprofessionellem historischen, technischen und stilistischen Knowhow, dass man aus dem Staunen nicht heraus kam. Von Michael Scott so prächtig und atmosphärisch suggestiv ausgestattet und von Klaus Gärditz so stimmungsvoll beleuchtet, mit so prächtigen Kostümen (und wallenden Lucas-Cranach-Hüten), dass man von einem Entzücken ins andere fiel. Und von Uwe Sandner und der Badischen Staatskapelle mit so außerordentlicher Sensibilität für die agogischen Feinheiten der Partitur von Adolphe Adam musiziert, dass die Tänzer wie auf Wolken gebettet schienen.
Und wie die an diesem Abend tanzten! So jung, so spontan und so ansteckend pure Lebenslust verbreitend, dass man gar nicht anders konnte als sich regelrecht in sie zu verlieben. Und wenn im ersten Akt noch manche Corps-de-ballet-Linien ein bisschen wackelig gerieten, so verwandelten sie den zweiten, schwierigen Wilis-Akt in pure Poesie – eine Hommage an die reine, klare Schönheit des klassisch-akademischen Balletts. Lautlos zogen sie ihre Bahnen – alle vierundzwanzig plus ihren Ober-Wilis, sogar in den beiden gegenläufigen Zwölfer-Formationen, wenn sie mit ihren Temps levés en arabesque die Bühne überqueren (die so oft, selbst bei viel berühmteren Kompanien, wie ein Maschinengewehr-Knattern klingen). Es ist schon erstaunlich, welche Homogenität ihnen Birgit Keil und ihr Stab in nur anderthalb Spielzeiten anerzogen haben, so, dass man kaum noch unterscheiden kann, wer denn noch zu den Studierenden der Mannheimer Akademie und wer zu den Karlsruher Profis gehört. Zumal da sie alle noch so jung und wonneproppig in ihren frisch gestärkten Kostümen aussehen.
Wer könnte aber auch einer solchen Charme-Attacke widerstehen, mit der die Karlsruher wellenförmig den Zuschauerraum fluten! Übrigens nicht nur als Tänzer, sondern auch als ihre erzählerischen Passagen präsentierende Darsteller. Wie toll muss mit ihnen gearbeitet worden sein, da sie so hundertprozentig überzeugt von dem zu sein scheinen, was da so beredt aus ihnen heraussprudelt (und was in vielen Klassikerproduktionen immer so unfreiwillig peinlich oder komisch wirkt). Erstaunlich nicht zuletzt, mit welch einem Solistenaufgebot für die so unterschiedlichen Rollen Karlsruhe aufwarten kann! Mit einer so anmutigen und schon jetzt so souveränen Giselle wie Anais Chalendard, einem so eleganten und sprungelastischen Albrecht wie Flavio Salamanka, einer so warmherzigen und besorgten Mutter Berthe wie Florentina Cristali, einem so überströmend liebevollen Hilarion wie William Moragas, einem so pausbäckig lebenslustigen Bauernpaar wie Paloma Souza und Diego de Paula nebst ihren Kumpels, einer so unbarmherzig ihre Mutter-Oberin-Autorität zelebrierenden Emmanuelle Heyer und all den nicht zu vergessenden Stichworttänzern, die zusammen erst dieses wunderbare und so lebendige und stimmige Genrebild einer mit sich selbst noch im Einklang befindlichen historischen Gesellschaft ergeben. Was waren das doch noch für Zeiten! Jedenfalls ein unbestrittener Punktsieg Karlsruhes im Wettstreit der Bewerbungen um Anerkennung als Kultur-Hauptstadt Europas im Jahr 2010!
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