Nippes aus Nippon
The Tokyo Ballet mit "Images of Asia by Béjart“
Als krönendes Finale des Movimentos Tanzfestivals zwei Programme des Tokyo Ballet an vier Abenden. Der erste wieder derart ausverkauft, dass zusätzlich noch Stühle im Forum der Tausend aufgestellt werden mussten. Die Begeisterung nach dem „Bolero“ auf dem Siedepunkt, noch emphatischer als gestern. Vorweg die „Danses grecques“ von 1983 zur Musik von Mikis Theodorakis, in der Mitte Bartóks „Wunderbarer Mandarin“ (1992), den wir ja auch an der Berliner Staatsoper schon hatten. Im zweiten Programm sind dann noch „Sacre du printemps“ (1959) und der „Feuervogel“ (1970), allabendlich in anderer Besetzung angekündigt.
Ausschließlich Béjart also von den Japanern, seiner asiatischen Dependance (während er sonst ja seine Choreografien offenbar für alle Kompanien außer seiner eigenen gesperrt zu haben scheint – was wir in Stuttgart besonders bedauern. Die Tokioter beeindrucken zunächst einmal durch die Masse ihrer Tänzer – beim Eröffnungsbild bin ich mit dem Zählen nicht mehr bis ans Ende gelangt. Sie sind gut geschult, tanzen wunderbar synchron, verfügen über exzellente Solisten, die sich namentlich im „Wunderbaren Mandarin“ und natürlich im „Bolero“ auch als Persönlichkeiten profilieren. Ihre Kompanie-Identität scheint indessen mehr durch ihre physische und physiognomische Andersartigkeit geprägt als durch irgendwelche stilistische Raffinessen. Jedenfalls verfügen sie über enorme Kraftreserven – und wenn sie die gebündelt in den Zuschauerraum projizieren, fühlt man sich wie von einer Lawine überrollt.
Die „Griechischen Tänze“ sind ein großes neoklassizistisches Divertissement, mit sehr sparsam gesetzten griechischen Akzenten: Soli, Pas de deux, kleinere Ensembles und große Massenblöcke, teils barfuß, überwiegend in Schläppchen und Spitzenschuhen. Das ist Klassik aus der Béjart-Factory für den Export nach Fernost. Ein reichlich lang geratener Appetizer, ohne Nachgeschmack. Sehr beeindruckend und höchst individuell fand ich den „Wunderbaren Mandarin“ mit ungewöhnlich starker Corps-Beteiligung und mancherlei schmunzeln machenden Zitaten (aus Béjarts „Ring“ und dem Schluss aus Nijinskys „Faun“). Außerordentlich markante Rollencharaktere: Haruo Goto als schmierig-eleganter Zuhälter, Kazunori Furukawa als ausgekochte, ziemlich ordinäre Dirne und Kazuo Kimura als stoischer, dann leidenschaftlich entflammter, maoistischer Mandarin. Höchst dramatisch das Ganze. Und, wie gesagt, ungewöhnlich stark beteiligt das große Männer-Corps der Voyeure. So hoffe ich sehr, dass die Kompanie diesen Super-Béjart bei ihrem angekündigten Gastspiel in Stuttgart zeigt.
Und dann also nochmals der „Bolero“ – an diesem Abend wie von Furien gepeitscht. Was auch an dem Solisten lag, Naoki Takajichi, der geradezu von einem Dämonen besessen schein und seine Kompagnons in eine Ekstase trieb, die direkt von dem Aufführungsort gespeist schien: dem Kraftwerk der Autostadt. Ein Triumph also in jeder Beziehung für Béjart, die Kompanie, den Veranstalter und nicht zuletzt für Bernd Kaufmann, den Mann, der diese fabulösen Tanz-Nächte von Wolfsburg ausgeheckt und mit so überaus einhelligen Erfolg ins Leben gerufen hat. Vivant sequentes!
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