Nippes aus Nippon

The Tokyo Ballet mit "Images of Asia by Béjart“

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Hamburg, 24/06/2010

„Fließende Welten“ lautet das Motto der diesjährigen 36. Hamburger Ballett-Tage. Es zielt auf den Brückenschlag zwischen Hamburg, Residenz der Kompanie von John Neumeier, und dem fernen Japan, für dessen Tokyo Ballet Neumeier Ende 1989 zwei japanisch inspirierte Werke choreografiert hat, „Seven Haiku of the Moon“ und „Seasons – The Colors of Time“. Eingeladen war diesmal The Tokyo Ballet mit „Images of Asia by Béjart“: ebenfalls zwei Stücke, „Bugaku“ und „The Kabuki“-Suite, auch sie ein Produkt der späten achtziger Jahre.

Japan ist „in“, seit Lincoln Kirstein, Pionier des New York City Ballet, in den fünfziger Jahren die Faszination des japanischen Theaters entdeckte und bei dem Komponisten Toshito Mayuzumi ein Ballett bestellte, das George Balanchine 1963 unter dem Titel „Bugaku“ in New York zur Uraufführung brachte. Später folgte dann Jiří Kylián mit „Kaguhime“, einer Huldigung an die japanische Mondgöttin beim Nederlands Dans Theater. Dann war Béjart an der Reihe und jetzt also Neumeier mit seiner Übernahme ins Hamburger Repertoire. Dabei reicht das Interesse der Japaner am modernen europäischen Tanz viel weiter zurück – bis zu Mary Wigman in Berlin, unter deren Schülern auch Kazuo Ohno war, später einer der Gründer des japanischen Butoh-Tanzes, der kürzlich im Alter von 103 Jahren gestorben ist. Andererseits war in den fünfziger Jahren die Japanerin Yuriko, eine der Protagonistinnen der Graham-Kompanie, eine vielgefragte Dozentin für den amerikanischen Contemporary Dance bei der Sommerakademie in Köln. Vielfältig sind also die Beziehungen, die zwischen dem europäischen und dem japanisch-chinesischen Tanz hin und her spielen – siehe auch die außerordentliche Popularität, deren sich die taiwanische Kompanie von Lin Hwai-min bei ihren Gastspielen in Deutschland erfreut.

So war man also doppelt gespannt, als Neumeier jetzt in Hamburg schon zum zweiten Male zwei Vorstellungen des Tokyo Ballet ankündigt, und zwar mit zwei Stücken des Altmeisters des modernen Balletts, Maurice Béjart, der noch heute, zweieinhalb Jahre nach seinem Tod, als „Künstlerischer Leiter Emeritus“ der japanischen Kompanie fungiert – sozusagen ein weiterer „Geist“ in der spektakulären Geister-Show, die rituelle, theatralische und traditionalistische Elemente in einem bunten Mix aus Historie und Gegenwart über die Bühne des Hamburger Opernhauses jagt – zum offensichtlichen Vergnügen des Publikums, das mit Recht die fulminante Bravour der japanischen Gäste in ihrem fernöstlichen tänzerischen Showdown feierte.

Was kommt da aber auch alles zusammen: massenweise exotische Erotik, ständig wechselnde prachtvolle, dann wieder vierfünftel nackte Kostüme und Köperbemalungen, geheimnisvoll-düstere Schwerterweihe, raffinierte Spiegeleffekte, heroisches Macho-Gehabe kontra weibliche Grazie, lebhafte Fächer-Ornamentik, wüsteste, ingrimmige Kampfszenen, sogar ein blutiger abgeschlagener Kopf wird herumgereicht wie weiland das Haupt des Jochanaan, bis an die Zähne gepanzerte Rugby-Champions, zart hingepinselte Kalligrafien und dick aufgetragene Schriftzeichenkolonnen, wundersame Spitzenbalancen und martialische nackte Männer in roten Strapsen, schmeichlerische Konkubinen und hoheitsvolle Geishas und am Schluss 47 entehrte Samurais, die kollektiv Selbstmord begehen. Und das alles begleitet von düster drohendem Getrommele und hollywoodesken Summchören: eine kunterbunte Show der Superlative. Gibt es ein japanisches Pendant zum Gelsenkirchener Barock? Dann suggerieren diese „Images of Asia“ wohl so etwas wie ballettistischen Nippes aus Nippon!

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