Plädoyer gegen Rassismus im Tanz
Neu erschienen: die Biografie des kubanischen Tänzers Osiel Gouneo
Das Bayerische Staatsballett hatte – stellvertretend – für eine weitere Öffentlichkeit diese Nussknacker-Gala als Feier und Ehrung im Nationaltheater angekündigt. In der Proszeniums-Loge saßen Konstanze Vernon und ihr Ehemann Fred Hoffmann, eingerahmt von Colleen Scott und Ivan Liska. Vom üblichen Dienstplatz des Direkors schaute Hans Zehetmair herab, bis November 2003 Bayerns Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Durchs ausverkaufte Haus flirrte freudige Erwartung.
Dann, wie jedes Mal in den letzten Monaten, Auftritts-Applaus für Maria Eichwald, die Maries Traum vom Tanzen erneut mit frisch improvisierten Details lebendig machte. Lucia Lacarra bestärkte als Louise schon mit dem liebevollen Necken ihrer „kleinen“ Schwester die Hoffnungen auf eine große Vorstellung, die sich auch angesichts eines nicht austrainierten Gastes wieder ereignete. Jirí Bubenícek vom Hamburg Ballett erwies sich in der Rolle des Günther zwar als erfahren, stilistisch versiert und zuverlässig partnernd, tanzte aber matt und erdenschwer. Glücklicher begegnete Ivan Liska der Krankheits- und Verletzungsflut in seiner Kompanie mit der Ansetzung des Debuts von Bruce McCormick als Drosselmeier. Der im Rahmen der „Jungen Choreographen“ bereits mit beachtlichen Stücken hervorgetretene Gruppentänzer ließ sich in seiner ersten Hauptrolle keine Nervosität anmerken. Er tanzte technisch auf hohem Niveau und gestaltete seine Rolle eigenständig und plausibel. Als ein Drosselmeier, der seine exorbitante Besessenheit vom Tanz in die umsichtige Arbeit mit seinen Tänzern integriert, beließ McCormick die Komik seiner Figur eher unter der Oberfläche, als dass er sie plakativ herausgestellt hätte. Dabei war er immer humorvoll präsent und schlug mit seinen langen, vorzüglich hohen Beinen manche groteske Funken. Damit stellte er der beliebten Karikatur von Petipas Alter ego einen moderner angelegten Ballettmeister entgegen. Das Corps de ballet erstrahlte ein weiteres Mal in präziser Eleganz und warmem Glanz.
Als nach der Vorstellung Konstanze Vernon nach vorn kam, wurde noch im Dunkel die sprühende Geburtstagstorte übergeben, Blumen folgten, und als erster Gratulant erklärte Ivan Liska den Bezug der gezeigten Aufführung zum Geburtstagskind: Am 8. Mai 1973 hatte Neumeiers Nussknacker im Nationaltheater Premiere. Damals tanzte Vernon, seit 1963 in München engagiert, die Louise und kreierte zudem mit Neumeier den Stangen-Pas-de-deux, in dem Drosselmeier mit seiner besten Ballerina das klassische Alphabet durchdekliniert. Dieser Pas de deux könne, so Liska, nur atemberaubend wirken, wenn er, wie an diesem Tag von Lacarra, von einer souveränen Ballerina getanzt werde. Mit diesen Worten zur Entstehungsgeschichte des „Nussknackers“ warf er ein Licht auf Vernons Rang als Tänzerin. Was sie für die Ballettausbildung in Bayern und mit der Gründung der Heinz-Bosl-Stiftung leistete, umriss der Minister. Zehetmair verriet, dass sie zu Beginn seiner Amtszeit seine schönste, häufigste und beharrlichste Besucherin war, die klarstellte, dass Ballett nur sinnvoll organisiert werden kann, wenn es mit eigenem Etat und eigenem Direktor künstlerisch autonom ist und wenn es genügend Probenräume hat. Was folgte, ist als Geschichte des Bayerischen Staatsballetts bekannt. Schließlich fehlte nicht der ministerliche Hinweis darauf, dass das von Vernon zuletzt betriebene Projekt, ein neues, der Ballettakademie angegliedertes Choreographie-Zentrum, noch in diesem Januar eingeweiht wird.Die so Geehrte ließ einem expressiven Port de bras ihr Statement folgen: „Wenn man alt wird, bekommt man zwar Falten. Doch wenn man seinen Idealen weiter folgen kann und folgt, hält das jung und lebendig.“
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