Exquisit getanztes Dornröschen

Maria Eichwald in ihrem Aurora-Debut

München, 15/03/2004

Obwohl das Ensemble an diesem Abend erst verzögert zur geschlossenen Ensemble-Eleganz fand, beeindruckte die stringente Erzählung des Prologs mit Norbert Graf als Carabosse und Irina Dimova als Fliederfee, deren Darstellung jedoch die Dimensionen der Weisheit und überlegenen Güte nicht erreichte. Unter den übrigen Feen flatterte Fiona Evans als Fee Canari qui chante quicklebendig. Als die Männer mit dem Beginn des 2. Aktes synchron ihre hohen Sprünge setzten, die Bosl-Kinder im Girlanden-Tanz entzückten und Auroras Freundinnen deren 16. Geburtstag eröffneten, war alles auf Fest und heiteren Frühling gestimmt. Vorbereitet von der St. Petersburger Ballettmeisterin Irina Jacobson, hielt sich Maria Eichwald streng im klassischen Stil, setzte auf darstellerische Zurückhaltung und umspielte die betont nach oben gezogene Körperachse dezent mit zauberhaftem Epaulement. Technisch überragend, atmeten all ihre Bewegungen, lebte ihr Tanz aus tief empfundener Musikalität.

Als Prinz Désiré kam Alen Bottaini mit großen Capriolen sofort im Geschehen an und blieb natürlich präsent. In diesem Visionsakt bewies Eichwald ätherische Adagio-Fähigkeiten – klassisch von den Fußspitzen bis in die Finger des schlanken Port de bras. Schon in den Anfangsposen ihr Wissen um einen exquisiten Stil offenbarend, meisterte Eichwald Auroras Variationen mit mühelosen Balancen und musikalisch zelebrierten Verzögerungen. Bottaini beantwortete das mit ruhiger Noblesse und Stilreinheit in jeder Wendung. Schon vor der Erweckung Auroras durch den Kuss lebte das Münchner Traumpaar – die Anziehung zwischen diesem Dornröschen und diesem Prinzen beruht auf langer gemeinsamer künstlerischer Arbeit.

Eichwalds Stärke lag im Musikalisch-Tänzerischen, doch über allem war sie eine junge, bezaubernde, lebendige und attraktive Aurora, der während der Aufführung und zumal beim Hochzeitsfest der Glanz der Souveränität zuwuchs. Dieses eröffnete Lukas Slavický als Kavalier von vier Feen im Pas Fabergé mit samtweich hingetupften Sprüngen. Seine Variation war ein weiteres Fest fürs Auge, zumal seine Begleiterinnen eine glänzende Einheit bildeten. Der Gestiefelte Kater und die Weiße Katze von Isabelle Severs und Marc Geifes erfreuten mit frischem Witz, und als Blauer Vogel zeigte sich Juan Eymar nach wenigen Vorstellungen stark verbessert, während Guan Deng den Kleinen Däumling trotz Spring- und Drehfreudigkeit immer noch zu ernsthaft präsentierte. Im Pas de deux zeigte Bottaini das Selbstbewusstsein dessen, der alle aus dem Todesschlaf geweckt hat, und Eichwald schien sich bewusst, dass sie den neuen Aufgang dieses Lebens verkörpert. Gemeinsam tanzten sie majestätisch-spannend und stürzten sich riskant in atemberaubend schnellen Dreifachdrehungen in die dreimalige Figur des „Fischs“. In den Solo-Variationen beeindruckten beide, Bottaini (in seiner 5. Vorstellung dieser Woche) mit einer stürmischen Manege, Eichwald u.a. mit den Akzenten ihrer Füße. Wie sie in der Coda zusammenfanden, zu einer Einheit verschmolzen, das war die Verwirklichung dessen, was wohl als Idee des klassischen Pas de deux gilt: die Zusammenführung des Weiblichen und Männlichen, die Harmonie zwischen dem Verschiedenen am Beispiel der jeweils Besten. Man erlebte eine lebendige, mitreißende Vorstellung, vom gesamten Ensemble aus vollem Herzen getanzt und vom Publikum mit Beifallsstürmen (und einem Blumenregen für Eichwald) gedankt.

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