Postolympische Tanzspiele an der Deutschen Oper am Rhein

John Neumeier: „Sylvia“

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Düsseldorf, 28/10/2004

Auf ihrer dritten Station nach Paris (1997) und Hamburg (1998) ist John Neumeiers „Sylvia“ in Düsseldorf angelangt, wo die aus der vorigen Spielzeit stammende Produktion jetzt in teilweise neuer Besetzung wiederaufgenommen worden ist, freundlich akklamiert vom Mittwochs-Abopublikum des gut besetzten Hauses. Sie bestätigte vor allem den musikalischen Charme der Partitur von Léo Delibes – ihre eminente französische Sensualität auf dem halben Weg zwischen Mendelssohn und Wagner mit ihrem Spritzer Eau de Paris. Mit den Düsseldorfer Symphonikern erwies sich Martin Fratz als ein kundiger Anwalt Delibes‘ durch sein Fingerspitzengefühl für die delikaten instrumentalen Raffinessen der Musik.

An Neumeiers Inszenierung beeindruckt zunächst die schöne lichte Klarheit der Bühne und deren reine Farben von Yannis Kokkos sowie der sportive Chique der Kostüme – als kämen die Tänzer gerade von einem Gastspiel bei den olympischen Spielen in Athen (dabei stammten die Entwürfe doch aus dem Jahr 1997). So erzählt Neumeier die pastorale Hirten-Novelle des Tasso in drei choreografischen Gedichten über „Die Kunst des Bogenschiessens“, „Im Reich der Sinne“ und „Wintersonne“ – in leider ausgesprochen abfallender dramatischer Spannung (nicht vergleichbar seiner Vergegenwärtigung des antiken Mythos in „Daphnis und Chloe“).

Am frischesten und inspiriertesten gibt sich noch der erste Teil mit seiner klaren Exposition der Charaktere: Sylvia mit ihrem Nymphen-Gefolge, zu dem auch ihre Freundin Diana gehört, der ein wenig einfältige Hirte Aminta, Eros in verschiedener Gestalt als erotischer Strippenzieher (eine Art Bruder des Pucks – wie denn dieser ganze erste Teil ein bisschen an den Wald bei Athen im „Sommernachtstraum“ erinnert) und der Schläfer Endymion. Diese Stimmung bricht sich aber im zweiten Teil, einem hocheleganten Ballroom-Divertissement, dessen angebliche „Sinnlichkeit“ mir ziemlich trockengekühlt erschien. Und der dritte Teil mit seiner „Wintersonne“ verläppert dann total nach dem Zeitsprung, wenn Aminta als ein altgewordener Waldschützer von den Grünen auftritt und Sylvia als eine niederrheinische Hausfrau erscheint.

Auch wenn Neumeier hier die Musik (und besonders den Grand Pas de deux mit dem berühmten Pizzicato-Solo) absichtlich konterkariert: Überzeugen tut dieser Schluss mit der resignierend mit ihrem Koffer weiterziehenden Sylvia und der zornig allein zurückbleibenden Diana nicht. Nein, das Format seiner Tschaikowsky-Klassikerproduktionen und seiner „Giselle“-Einstudierung mit Makarova erreicht diese „Sylvia“ nicht. Sie bleibt auch tänzerisch recht blass und allgemein – sauber einstudiert und solide exekutiert, mit exzellenten Gruppen-Formationen (das Nymphen-Gefolge scheint gerade einen Meisterkurs bei Lolita absolviert zu haben).

Es fehlt an Verve, Feuer und namentlich an französischer O-la-la-Chuzpe. Am ehesten zeichnen sich noch Jörg Simon in seiner Dreifachrolle als Eros, Thyrsis und Orion und die aparte Eriko Yamashiro als Diana durch ihre individuellen Rollenprofile aus. Davon war bei den drei weiteren Hauptrollentänzern, Katarina Svetlova (Sylvia), Alexej Afanassiev und Gerald Neeb(Endymion) wenig zu spüren. An den augenzwinkernden Charme von Seregis Budapester „Sylvia“ reicht diese Paris-Hamburg-Düsseldorfer „Sylvia“ nicht heran! Übrigens bricht die Kompanie am Montag zu je vier Vorstellungen mit ihrer „Schwanensee“-Produktion nach Schanghai und in die chinesische Provinz auf.

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