Auch ohne Concorde: in drei Stunden von Buenos Aires nach Paris

„Fern von Dänemark“ und „Konservatorium“ beim Bournonville Festival

oe
Kopenhagen, 08/06/2005

Südamerika scheint unseren weltreisenden August Bournonville nicht besonders inspiriert zu haben. Denn sein Ballett „Fern von Dänemark“, das 1860 seine Uraufführung und an diesem Abend die 458. Vorstellung erlebte, in einer von Anne Holm-Jensen, Frank Andersen und Flemming Ryberg 1991 renovierten Fassung, bietet, dramaturgischer Fahrlässigkeit wegen, wenig iberoamerikanische Couleur locale. Stattdessen begnügt es sich mit einer potpourrihaften Aneinanderreihung nicht unbedingt lokalspezifischer Eigenheiten. Aufgereiht sind die einzelnen Nummern am Besuch der dänischen Fregatte Bellona im Hafen von Buenos Aires mit diversen Liebeshändeln zwischen Einwohnern der argentinischen Kapitale und den Mitgliedern der Schiffsbesatzung eines an Bord veranstalteten Maskenballs (wobei man im Dekor von Henrik Bloch gut auch Crankos „Pineapple Poll“ spielen könnte).

Zudem kommt das bisschen an Aktion ziemlich schwerfällig in Gang, ehe es zu den Tänzen der Eskimos, Chinesen und Indianer gelangt, mit denen Marcin Kupinski als Stammeshäuptling den Vogel abschießt. Ansonsten herrschen tänzerische Pläsanterien vor, kleine Soli, Gruppen und am Schluss ein eher irisch anmutender Reel, in dem sich groteske Meermädchen in dralle dänische Bauerndirnen verwandeln. Hier bedürfte es eines dramaturgischen chirurgischen Eingriffs. Auffallend zurückhaltend der sonst doch so spendierfreudige Beifall nach den einzelnen Nummern – ausgenommen für den wild seine Zähne fletschenden Stammeshäuptling.

Danach ging‘s zurück nach Paris, zu „Das Konservatorium oder die Heiratsannonce“, beginnend mit Carl Maria von Webers „Aufforderung zum Tanz“, zu der ein in die Jahre gekommener Hagestolz sich für ein Rendezvous mit einer unbekannten Schönen zurechtmacht – sehr zum Leidwesen seiner Haushälterin, der er zuvor die Ehe versprochen hatte. Die Geschichte ist verwoben mit einem Besuch in der Akademie des Tanzes – bei einer Klasse à la Vestris, der der Lehrer des jungen Bournonville war – und das ist entschieden der charmanteste Teil des Balletts, in dem die Tänzer wie Juwelen aus einer schicken Bijouterie des Faubourg Saint Honoré funkeln. Ein wunderbares klassisches Divertissement.

Im dritten Teil geht es dann zu einer Garten-Party nach Saint-Germain-en-Laye, wo die verschiedenen Gesellschaftsschichten sich ein Stelldichein geben: Studenten, Arbeiter, Ballettschüler, Damen des leichten Gewerbes, fesche Offiziere und jede Menge Honoratioren. Und da wird dann natürlich getanzt, was das Zeug hält. Das Ballett entstand 1849 (dies ist die 198. Aufführung), und man hat den Eindruck, dass Offenbach vor der Tür steht und tout Paris gleich in den Cancan explodiert. Auch unser Hagestolz (Poul-Erik Hesselkilde: ein richtiger Daumier-Kauz) ist dabei und muss sich nach mancherlei Missgeschick mit seiner Haushälterin als zukünftigem Ehegespons zufriedengeben. Nicht zu vergessen: auch hier sind wieder die Kinder eifrigst beteiligt (wie übrigens auch schon in den anderen Bournonville-Balletten davor) – und mit welch einer Lust und welch einer Liebe sind ihre Auftritte einstudiert! Überhaupt scheinen die Dänen ein ausgesprochen kinderfreundliches Volk zu sein, und ich habe noch kaum einen Fahrstuhl-Lift erlebt, bei dem nicht noch irgendein Kinderwagen in die eigentlich schon volle Kabine geschoben wurde.

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