Eine Ballettoperette avant Offenbach

Jean-Philippe Rameaus „Platée“

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Darmstadt, 25/06/2005

Einst als Sahnehäubchen großer Opernproduktionen goutiert, sind die Balletteinlagen in Opern längst zu Knochenbeilagen an unseren Theatern verkommen. Von den Regisseuren ungeliebt, die sie am liebsten ganz streichen würden, fristen sie, wenn denn absolut nicht auf sie verzichtet werden kann, allenfalls eine Nischenexistenz. Unsere Opernballettkompanien kommen sich für derartige Dienstleistungen längst zu erhaben vor und delegieren dergleichen Aufgaben lieber an irgendwelche Sport-, Turn- oder Juniorenensembles. Dabei war Crankos „Lustige Witwe“ mit dem Stuttgarter Ballett (und Jürgen Rose als Ausstatter) ein jahrelang anhaltender Publikumsrenner. Ich kann mich nicht daran erinnern, eine Aufführung von Händels großer Ballettoper „Alcina“ mit einschlägiger Ballettbeteiligung gesehen zu haben (bei deren Londoner Uraufführung immerhin Marie Sallé mitgewirkt hat).

Ein bisschen günstiger sieht es bei den Opern des französischen Bach-Zeitgenossen Jean-Philippe Rameau (1683-1764) aus, von dessen „Boréades“ und „Platée“ es vielbeachtete Produktionen in Lyon und Paris gegeben hat (mit deren allzu modernistischen Choreografien von Edouard Lock und Laura Strozzi ich mich allerdings ganz und gar nicht befreunden konnte. Geglückt fand ich hingegen Spoerlis Zürcher „Les Indes galantes“, deren Wiederaufnahme für die Weihnachtszeit angekündigt ist.

Jetzt hat Darmstadt „Platée“ herausgebracht – in einer Inszenierung von John Dew, der sich des Werks bereits 2002 in Wiesbaden angenommen hatte – wieder mit Heinz Balthes und José-Manuel Vázquez als Bühnen- und Kostümbildner – neu mit Raoul Grüneis als Dirigent und der Darmstädter „Direktorin der Sparte Tanz“, Mei Hong Lin. In ihrem Mittelpunkt steht die Sumpfnymphe Platée (eine Travestierolle für einen Haut-contre, das ist die spezifisch französische Variante eines Tenor-Bariton-Konters), die, unbeschadet ihrer abschreckenden Hässlichkeit, sich in ein Eheabenteuer mit Jupiter einlässt, das tragisch für sie ausgeht. Eine Ballettoperette sozusagen avant Offenbach.

Das ist in Darmstadt ein hübsches und unterhaltsames Spektakel, das Dew als Karnevalsrevue inszeniert hat, sehr erfolgreich, wenn man sich auch bewusst bleibt, dass Darmstadt entschieden näher an Mainz als an Paris liegt. Mit einem kapitalen Fehlgriff allerdings: Jeffrey Treganza ist als Platée alles andere als eine altjüngferliche Schreckschraube, überkandidelt, liebestoll und ein bisschen gaga, sondern ein Pfundskerl und überaus attraktiv (und zudem ein formidabler Sänger).

Und Darmstadt hat sein Zwölfer-Ensemble voll eingesetzt, das aus den Kostümwechseln gar nicht herauskommt und sich mit Wonne in seine Rolle als Funkengarde, Frösche, Schildkröten, Cowboys, Modisten, Straßenkehrer und als Sumo-Babys in Windeln stürzt. Das ist mit viel Humor und Slapstick choreografiert, ein richtiges Hochzeits-Divertissement ist auch dabei, und Platée und Jupiter tanzen einen gründlich verkorksten Pas de deux. Den Tänzern macht es Spaß und dem Publikum nicht minder. Der aber am meisten davon profitiert, ist unser Monsieur Hofcompositeur aus Paris, bekannt als blaublütiger Theoretiker und Akademiker, der sich hier als ein Entertainer von Graden erweist.

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