Bravouröses Schülerprojekt
„Move the Music“ am Theaterhaus
So lässt sich Wagners „Ring“ ertragen: das 14-Stunden-Werk eingedampft auf knapp über eine Stunde, befreit vom gedanklichen Ballast, bebildert mit fließendem Wasser, Bäumen, abstrakten Farben und Formen. Unter dem flotten Titel „The Ring Remixed“ hatte die „Musikvideotanztheater-Produktion“ am Montag im Theaterhaus Premiere, Idee und Konzept stammen von Gereon Müller und von Lior Lev, ehemals Tänzer beim Stuttgarter Ballett.
Gleich das tiefe Es des Anfangs erklingt gesampelt und elektronisch gedehnt, in den „Ring ohne Worte“ und die symphonischen Teile der Tetralogie wurden abstrakte Geräuscheffekte gemischt. Später unterlegt ein Live-DJ das Ambossgehämmer von Nibelheim oder den Walkürenritt mit flotten Dancefloor-Rhythmen. In Siegfrieds Waldweben wurde ein Schuss Bacardi-Feeling hinein-remixed, dazu hängen die vier Tänzer am Bühnenrand ab: Wagner mit dem gewissen Lounge-Feeling. It's cool, Richy.
Wer die „Ring“-Handlung nicht kennt, kann mit den Andeutungen von Inhalt wenig anfangen: am Anfang verschlingen sich drei Wesen auf dem Boden, zur Musik von Siegmund und Sieglinde tanzt ein Paar, ebenso zu Wotans Abschied von Brünnhilde. Aber wo ist der Unterschied? Auch mit der Musik hat die Choreografie von Lev und den vier Tänzern wenig zu tun, sie orientiert sich nur manchmal am Rhythmus und ist ansonsten der beliebte „Ausgangspunkt für die Suche nach weiterführenden Assoziationen“. Selbige manifestieren sich dann als Kontakt-Improvisation, in einzelnen Breakdance-Bewegungen oder aus dem breiten Angebot des Tanztheater-Gemischtwarenladens. Man bringt sich gegenseitig einen Sprudel auf die Bühne, eine Kamera fängt kichernde Zuschauer ein, jemand schreit.
Die Auseinandersetzung mit Wagners monumentalem Gedankengebäude verläppert sich in einzelnen Gags und Effekten. Während durch den Kontrast zwischen Wagner und Dancefloor immerhin musikalische Spannung entsteht, bleiben die Projektionen reine Bebilderung und der Tanz beliebig. Nach dem letzten Erlösungsmotiv endet der Abend bedeutungsschwanger in leerem Rauschen. Das Publikum, man merkt es am Geräuschpegel, langweilt sich schon nach der Hälfte, und doch wird am Schluss herzlich und lange geklatscht. Vielleicht wäre der freien Tanzszene in Stuttgart mit etwas mehr Selbstkritik besser gedient als mit allzu viel gutem Willen. Ansonsten steht der Tanz im Augenblick vor der paradoxen Situation, dass die Avantgarde im Staatstheater sitzt: Was Marco Goecke beim Stuttgarter Ballett macht, ist ungleich spannender.
Links: www.theaterhaus.com / www.artconnexion.de
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