„Glück Wunsch“ von Natalie Wagner, Tanz: Ensemble

Wer hat schon Bock auf Tretmühle?!

Das Tanz-Ensemble der Landesbühnen Sachsen hat einen „Glück Wunsch“

Das tägliche Einerlei ist nicht selten sinnfrei. Natalie Wagner zeigt, wie nicht zuletzt Humor uns aus dem Hamsterrad befreit.

Dresden / Radebeul, 18/03/2024

In ihrer Individualität sind sie dann doch alle gleichgeschaltet: Die Tänzerinnen und Tänzer der Landesbühnen Sachsen in Radebeul eröffnen ihren neuen Tanzabend mit dem Titel „Glück Wunsch“ in weißem Hemd mit schwarzer Krawatte, nur für die sportlichen Shorts hat ihnen die Ausstattung (Bühne und Kostüme: Cornelia Brunn) einen Anflug von Eigenheit erlaubt. Jede Hose weist eine andere Farbe auf. 

Und sportlich sollte dabei nicht nur die Hose sein: Wer im täglichen Hamsterrad überleben will, muss dranbleiben. Unentwegt. Das Einzige, das zählt, ist die Leistung innerhalb des Konkurrenzkampfes; Müßiggang ist nicht wohlgelitten. Gleichzeitig scheinen sie gar kein Ende zu kennen, diese Selbstoptimierungsansprüche. Ein konkretes Ziel ist unbekannt. „Noch besser werden“ zumindest ist keins. Gefangen in diesem täglichen Sog müht sich das Ensemble nach Leibeskräften ab, rhythmisch und mit dem steinernen Lächeln der Zuversicht. Mitten im täglichen Lärm veranstalten sie einen Wettlauf, bei dem letztendlich jede und jeder kein Stück voranzukommen droht. Wunderbar verdeutlicht wird das durch ein simples Laufband, auf dem abwechselnd auf der Stelle getreten werden kann. Dabei beinhaltet dieses Gehetze eine ganz eigene Ironie: Auch Tanz als Leistung kommt nicht ohne das Bestreben nach Optimierung aus.

Hohler Fetisch der Sinnleere

Wenn in idyllischer Atmosphäre farblos transparente Gymnastikbälle zum Einsatz kommen, könnte die Choreografie Gefahr laufen, einen unfreiwillig komischen Sitztanz für das ältere Semester darzubieten. Das passiert Gott sei Dank nicht. Stattdessen entpuppen sich die Bälle als im Wortsinn hohle und leere Fetische, die als Sinnbild für eine Geschäftigkeit um ihrer selbst Willen gelesen werden können. Kontrastiert wird das durch ein zwangloses und federleichtes Duett von Anja Neukomm und Christian Senatore. Hier wird deutlich: Es braucht nicht viel, um tatsächliche Freude im Leben zu erfahren. Gleichzeitig klingt hier bereits an, was im zweiten Teil noch weiter ausformuliert wird: Die Last des Alltags ist nicht selten zu schwer für einen allein. Geht man eine Sache aber gemeinsam an, sieht das schon ganz anders aus. Bis dahin kämpft sich Tuan Ly auf dem Laufband in einem beeindruckenden Solo allein voran.

Im zweiten Teil nach der Pause wird ganz klar deutlich: Dieser ewige Kampf nach vorn und gegeneinander muss nicht sein. Das Ensemble trägt jetzt einheitlich hautfarbene Kostüme, zurückgenommen und reduziert. Es ist eine organische Masse, keineswegs homogen, aber doch in ihren Grundsätzen der Gemeinschaft zugewandt. Und über allem schwebt Anja Neukomm fast überirdisch an einem Seil. In einer fast traumhaften Sequenz scheint plötzlich der Moment an sich auf. Die Zeit bleibt stehen, weil niemand mehr etwas will. Es ist Hingabe, ganz ohne Verlorenheit. 

Die Kraft liegt im Miteinander

Aus dem ersten Teil sind nur noch die schwarzen Krawatten übrig, die sich, um den Hals geschlungen, als Gängelband entpuppen können, an denen sich jeder einzelne selbst, also unnötigerweise, unter Stress setzt. Immer deutlicher wird allerdings der Drang zum Miteinander, zu einem Füreinander. Sich gegenseitig zu stützen, sich zu helfen, ist die Basis für eine Kraft, die ganz allein aus dem Inneren jeder einzelnen Person kommt. Diese Kraft ermöglicht es Christian Senatore und Lorenzo Giovanetti ein im Wortsinn wirklich starkes Duett zu entwickeln, das fast nur aus Hebefiguren zu bestehen scheint.

Diese (Rück-)Besinnung auf das Ich, auf sich selbst, schärft hier den Blick der Charaktere, befreit sie von Materialismus und dem Streben nach Überfluss. Dadurch wird nicht nur echte Lebensfreude freigesetzt, sondern tatsächlich auch ein ganz leichtfüßiger Humor.

Im Zusammenwirken der geschmeidigen Dramaturgie mit der punktuell variierten Musik von Sascha Mock hat die Leiterin des Ensembles Natalie Wagner hier gemeinsam mit ihren Tänzerinnen und Tänzern eine sensible Arbeit geschaffen, die nicht den breiten Markt der „Ratgeberliteratur“ bedient, sondern auf eigene Weise zeigt: Ein besseres Leben ist möglich. Das Glück, nach dem wir uns sehnen, liegt in uns selbst.

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