Tanzstadt Bremen!
Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion „RÄUME FÜR DEN TANZ“ will das Feuer für den Tanz in Bremen neu schüren
Urs Dietrich mit „Voll-Da-Neben“ in der Werkhalle der Concordia
Ein gewaltiger Laufsteg in Form eines skelettierten Knochens durchschneidet in voller Länge die Werkhalle der Bremer Off-Theaterszene: eine gigantische Landebahn des Todes. Zwei Tage nach dem Zürcher Triumph der Lebenslust präsentiert Urs Dietrich, Schweizer Exilant in der Freien Hansestadt an der Weser, sein neues Stück „Voll-Da-Neben“, siebzig pausenlose Minuten, eine Apokalypse des Grauens. Das Publikum zu beiden Seiten, an der Wand entlang die Spiegel-Ankleideständer der Tänzer. So sind sie in hautnaher Verbundenheit aneinander geschmiedet – voll da – und voll daneben. Im Pulk erkundet das Fähnlein der neun Aufrechten in fadenscheinig durchsichtigen Plastikhüllen, die die Körper wie nackt erscheinen lassen, rastlos hin und her voltigierend, während die Füße wie ein Hammerwerk den Boden traktieren, die Stätte im Niemandsland des Todes – irgendwo gelegen zwischen Afghanistan, Irak, Gaza und Kosovo – Versprengte des Schicksals, Opfer unerklärlicher Gewalt.
Da ist die Suggestion von Terror und Gewalt und der vergebliche Versuch, ihnen zu entkommen. Und da ist die Glamour- und Glitzerwelt der Spaß-, der Betäubungsgesellschaft in den Fummeln aus dem Fundus. Menschen auf der Flucht, die in Löcher fallen, im Abgrund versinken. Die, einander helfen wollend, übereinander herfallen, die sich kriechend, krauchend, robbend fortbewegen. Wie Amphibien. Rastlose Seelen in der Vorhölle von Dantes Fegefeuer: Lasciate ogni speranza! Am Schluss liegen sie in einer langen Reihe am Boden, hingestreckt im Müll ihrer zugrunde gerichteten Umwelt, untote Tote, während das Leben um sie herum erstarrt. Das ist nun wahrlich kein Ballett mehr, sondern Tanztheater à la Bremen, „tanzTHEATER“ eben. Bremen, du hast es besser? Nicht für den Gast aus südlicheren Gefilden, der gern nach Stuttgart (und Zürich) zurückkehrt.
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