Verzweifelt, aber mit Eleganz
Das Béjart Ballet Lausanne gastierte in Ludwigshafen
Lebenslang hat der Choreograf Person und Werk des Dichterphilosophen umkreist, ihn in verschiedenen seiner Schöpfungen dingfest zu machen versucht. Nun, knapp 80 und sehr weise, widmet Maurice Béjart dem Bewunderten einen ganzen Abend:Zarathustra. Das Lied vom Tanz holt als Dritten Wagner ins Boot, dem beide, Friedrich Nietzsche und sein französischer Nachfahre im Geist, prägenden Einfluss danken. Entstanden ist eine tanztheatrale Paraphrase um Nietzsche und dessen mehrfach wiederholte Aussage, Zarathustra, jener fiktive Denker mit dem Namen eines persischen Religionsstifters, sei ein Tänzer. Wie häufig flicht Béjart sein eigenes Leben in das choreografische Netzwerk, verkündet auch sich selbst. Nach wie vor kreiert niemand bessere Totalspektakel als er, umschifft niemand souveräner dramaturgische und bildpathetische Klippen.
Großartig deshalb der Eindruck, den das Béjart Ballet Lausanne beim Gastspiel im Theater im Pfalzbau während der Festspiele Ludwigshafen hinterließ. Fast zweieinhalb Stunden darf mit Nickelbrille Gil Roman in Wortzitat, Spiel und Tanz ein grandios ausdrucksvoller Nietzsche sein, sich auf eine innere Reise aus zehn Stationen begeben. Zarathustra, Zentralfigur des 1885 beendeten Heldenepos, Adler und Schlange als dessen personifizierte Insignien begleiten ihn ebenso wie die Nacht und die vier Elemente. Venedig und seinen Karneval streifen sie, wo Vivaldi komponierte, Wagner Teile des „Tristan“ schrieb und 1883 starb, während Nietzsche dem „Zarathustra“ Form gab. Immer wieder geht es um Liebe, wie Cupido sie schenkt, Tristan und Isolde sie feuerumlodert erleben, um Krieg und Tod, den Soldaten bringen, um den trunkenen Charme des Dionysos. Finalapotheose ist ein kraftvolles Verbrüderungsritual der Weltkulturen zur Freuden-Ode aus Beethovens 9. Sinfonie. „Heil, wer neue Tänze schafft!“, fordert Nietzsche. Béjart folgt seit einem halben Jahrhundert diesem Lockruf und streut in „Zarathustra“, einer Fortsetzung seines genialen „Ring um den Ring“, wieder eindringliche, bisweilen anregend verrätselte, stets überwältigend atmosphärische Bilder aus dem Füllhorn seiner Erfindung, mit wunderbaren Tänzern wie Julien Favreau als blonder Titelgestalt, Elisabet Ros als Nacht, Oscar Chacon als Krieger.
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