„Tanz schafft Räume“
Tanzplattform 2024 in Freiburg eröffnet
Nadja Kadel befragt Gabriele Brandstetter zum Laboratorium Tanzdramaturgie
Nadja Kadel: Sie sind für das Konzept und die Projektleitung des Laboratoriums Tanzdramaturgie der Tanzplattform verantwortlich. Stammt von Ihnen auch die Initiative, der Tanzdramaturgie eine dreiteilige Veranstaltungsreihe bei der Tanzplattform zu widmen?
Gabriele Brandstetter: Die Initiative war eine beidseitige. Sie kam von Bettina Milz, die auch die Projektleitung der Tanzplattform übernommen hat in Kooperation mit dem Pilotprojekt „Tanzdramaturgie“, ein Seminar, das Mieke Matzke und ich seit drei Semestern zusammen anbieten. Wir suchen immer eine Gelegenheit, die Arbeit mit den Studenten an ein konkretes Festival oder eine dramaturgische Arbeit anzubinden. Insofern ist es ein Plan, der sich in diesem Zusammenhang ideal hat realisieren lassen in Form einer bilateralen Kooperation.
Ein Plan, der in ähnlicher Weise also schon früher realisiert wurde?
Ja, in Berlin haben wir beispielsweise mit Bettina Masuch und dem HAU (Theater Hebbel am Ufer) bei dem jährlich im Februar stattfindenden Tanzfestival „Context“ 1 und 2 tanzdramaturgisch gearbeitet. Studierende waren mit eigenen Texten, Interviews, Zeitschriften-Beiträgen, Video-Installationen und Podiumsdiskussionen beteiligt.
Das Laboratorium bei der Plattform in Stuttgart wird in Form von Dialogen über Choreographie und Dramaturgie geführt. Gehen die Dramaturginnen von konkreten Stücken, von ihrer praktischen Arbeit aus oder von einem theoretischen Hintergrund?
Beides: Tanzdramaturgie ist noch gar nicht so sehr etabliert, es gibt nicht so viele Dramaturgen, und dennoch wird Dramaturgie immer wichtiger im Bereich von Tanz und Tanzproduktion. Das Besondere an Tanzdramaturgie ist ja, dass sie selbst schon ein Vermitteln zwischen Theorie und Praxis ist. Von daher war es auch immer schon das Interesse der TanzdramaturgInnen selbst, einerseits zu überlegen, wie ein Thema theoretisch bearbeitet und auch an ein Publikum vermittelt werden kann, und andererseits, wie man ganz konkret in der Produktion mit Choreographen zusammenarbeitet. Im gesamten Umfeld einer Produktion geht es dann auch um Programmhefte, Konzeptplanung, Einladungspolitik, Öffentlichkeitsarbeit.
Sie sagen, es wird zunehmend wichtiger, dass Tanz mit Dramaturgen arbeitet. Warum? Gerade auch wegen Informations- und Begleitmaterialien zu einem Stück?
Die Bedeutung würde ich nicht so sehr aus produktionstechnischen Kriterien ableiten, obwohl diese in der Praxis wichtig sind. Ich denke, der eigentliche Hintergrund ist spannender, hat etwas mit den neuen Denk- und Arbeitsformen im Bereich Tanz und Choreographie zu tun. Bezogen auf den Prozess - wie man als Tänzer, als Choreograph arbeitet, mit welchem Material, womit man sich auseinandersetzt, gerade auch bei politischen Themen oder bei Fragen von allgemeinem Interesse – ist es wichtig, dass Tänzer und Choreographen jemanden haben, der sie begleitet.
Denken Sie, man sieht es einem Stück an, ob mit einem Dramaturgen gearbeitet wurde?
Als Kenner vielleicht ja. Ich denke, es ist wahrscheinlich nicht so, dass man an Einzelstellen sehen kann, da hat ein Dramaturg gefehlt. Obwohl man auch darauf zurückgreifen kann, dass Dramaturgie auch heißt - wie Doris Humphrey gesagt hat - das Komponieren, das „Tänzemachen“ bedenken. Auch formale Aspekte der Komposition sind wichtig. Im Endeffekt hat es etwas mit der Plausibilität, mit Evidenz, mit der Dichte eines Stückes zu tun. Letztlich ist es die Entscheidung der Choreographen, ob sie so einen Weg gehen möchten, aber ich habe den Eindruck, dass es sich lohnt.
Am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin gibt es das Dance Lab, einen Raum, der das praktische Experiment mit dem Tanz an einer Universität zulässt. Wird dort auch zum Thema Tanzdramaturgie gearbeitet?
Ja. Momentan gibt es mehrere Seminare, in denen ich und meine Assistentinnen mit Studierenden phasenweise zum Ausprobieren im Dance Lab arbeiten. Dance Lab - wenn man es nicht auf diesen konkreten Raum begrenzt - ist generell ein Wort für die Experimentiersituation im Feld von Tanz, Performance und Medien. Dazu gehören nicht nur praktische Bewegungsexperimente, nicht nur das Lesen und die Theorie, sondern auch das Schreiben, alle Fertigkeiten, die etwas mit Vermittlung zu tun haben, auch die Schärfung des Blicks dafür, was Bewegung und choreographische Arbeit ist.
Haben Sie selbst je als Dramaturgin gearbeitet?
Direkt als Tanzdramaturgin eigentlich nicht, während meiner Studienzeit aber des Öfteren bei Performance- oder traditionelleren Theaterproduktion an Stadttheatern – mit großem Gewinn!
Wenn Sie die Wahl hätten: Mit welchem Choreographen würden Sie gerne als Dramaturgin zusammenarbeiten?
Ich würde mich für die größtmöglichen Kontraste interessieren. Mir würde die Arbeit mit ganz jungen und unerfahrenen Choreographen gefallen, dann natürlich aber auch mit Choreographen, von denen man weiß, dass sie mit unterschiedlichsten Dramaturgen gearbeitet haben wie z.B. Meg Stuart, Sascha Waltz, auch natürlich William Forsythe. Das ist sowieso spannend, denn Dramaturgie ist ein Geben und Nehmen, und ich spreche da nicht von dem Gewinn, den die anderen vielleicht von mir hätten, sondern von dem Gewinn, den ich mir auch für mich selber vorstelle.
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