Royals unter sich
Die Royal Academy of Dance (RAD) begrüßt Queen Camilla als neue Schirmherrin
Die Queen feiert ihren 80. und das Royal Ballet seinen 75. Geburtstag mit einer sternenreichen Gala
Das ganze Royal Opera House erhebt sich wie ein Mann, wenn die Queen mit ihrem Gefolge in der blumengeschmückten Royal Box erscheint, das Orchester intoniert „God save the Queen“, nach jedem Stück verbeugen sich die Tänzer extra in Richtung der königlichen Hoheit – all dies ist nichts Neues und geschieht jedes Mal, wenn die Königin dem Royal Opera House, auf dessen rotem Vorhang in goldenen Lettern ihr Emblem „Elizabeth II Regina“ aufgedruckt ist, die Ehre ihres Besuches erweist. Doch ist diesmal der Anlass besonders festlich, da gleich ein doppelter Geburtstag gefeiert wurde – einer in der Royal Box, nämlich der 80. Geburtstag der Königin, und einer auf der Bühne, der 75. Geburtstag des Royal Ballet.
75 Jahre, das ist noch nicht sehr alt, wenn man beispielsweise an die 1661 gegründete Pariser Kompanie denkt, doch ist es genug, um sich der Geschichte zu erinnern und der Personen, die das Royal Ballet geformt haben. So umfasste das Programm Choreografien seiner Gründerin Ninette de Valois, der bedeutenden Choreografen und Direktoren Frederick Ashton und Kenneth Mac Millan, und sogar John Cranko, der nach seinem Abschied aus London das Glück der Stuttgarter Ballettfans machen sollte, ist mit von der Partie. Die Mischung zwischen Werken dieser Choreografen und zeitgenössischen Balletten (mit einem Exkurs zu Petipa) ergibt eine sehr interessante und brillant besetzte Gala, die allerdings deutlich mehr die Vergangenheit feiert als in die Zukunft blickt.
Die Auswahl der Stücke aus Ashtons weitläufigem Repertoire ist leider nicht vollkommen überzeugend: Weder das hübsche aber etwas hektische Eröffnungsstück „La Valse“ noch die darauf folgende zuckersüße Tanzpantomime „Nursery Suite“, in der sich zwei weißgekleidete Mädchen, die die Königin und ihre Schwester als Kinder darstellen sollen, mit niedlichen Spielen vergnügen, zeigen das choreografische Talent Sir Fredericks. Deutlich besser sind da schon der von Miyako Yoshida und Federico Bonnelli hingebungsvoll interpretierte „Rhapsody Pas de Deux“ zu Musik von Rachmaninow sowie der Pas de Deux aus Ashtons „Two Pigeons“. Dieser Ausschnitt, der mit seiner Sentimentalität und den dressierten Tauben bei weniger inspirierten Tänzern manchmal in Kitsch auszuarten droht, wird von Nao Sakuma und Chi Chao (Birmingham Royal Ballet) mit rührender Simplizität und natürlicher Emotion getanzt. Besonders hervorzuheben sind dabei Nao Sakumas Grazie und leichtfüßige Schwermut, vor allem wenn sie zu Beginn des Pas de Deux den Flügelschlag der Taube imitiert.
Die Gründerin der Kompanie, Ninette de Valois, steuert ein Solo der schwarzen Königin aus ihrem Ballet „Checkmate“ bei, feurig getanzt von Zenaida Yanowsky, aber etwas verloren so ganz ohne Kontext. Ähnliches könnte man zum Pas de Deux aus Crankos „Lady and the Fool“ bemerken, der in dieser Gala wie ein hübsches und handlungsloses Divertissement wirkt. Elisha Willis vom Birmingham Royal Ballet tanzt die Lady zwar technisch perfekt und voller Charme, doch mangelt es ihr etwas an schauspielerischer Nuance – von völliger Ablehnung während des ohne Kontext schlicht unverständlichen Aufnehmens und Ablegens der Masken wechselt sie abrupt zu einem sorglos-strahlenden Lächeln, das sie bis zum Ende beibehält.
Kenneth Mac Millan ist mit einem Pas de Deux aus „Winter Dreams“ kurz, aber sehr überzeugend vertreten – Tamara Rojo und Roberto Bolle spielen die Tragödie des endgültigen Abschieds so überzeugend, wie dies ohne Kontext möglich ist. Schließlich gab es noch ein Galastück par excellence in Form des Pas de Deux aus Petipas „Corsaire“. Darcey Bussell und Carlos Acosta gaben eine atemberaubende Vorstellung, die das Publikum sogar im Beisein der Queen in tosende Beifallsstürme ausbrechen ließ. Vor allem Acosta erstaunte selbst seine Fans durch immer höhere, gewagtere Sprünge mit ungewöhnlichen, spektakulären Abschlüssen und so schnellen und zahlreichen Pirouetten, dass das Auge kaum folgen konnte. Nach diesem Highlight war das Publikum derart in Hochstimmung, dass es sich trotz unansehnlicher Kostüme mühelos für eine Gruppenszene aus Johan Kobborgs „La Sylphide“ (nach Bournonville) begeistern ließ, nicht zuletzt aufgrund der Präsenz einiger Kinder der Royal Ballet School, die die Choreografie ebenso perfekt meisterten wie die Tänzer der Kompanie.
Neben diesen Klassikern oder Neubearbeitungen von Klassikern gab es im Mittelteil zwei kurze, aber interessante Ausflüge in den modernen Tanz. Der erste war ein von Kim Brandstrup für Alina Cojocaru und Johan Kobborg geschaffener Pas de Deux („Two Footnotes to Ashton – I“) zu Musik von Gluck. Der Pas de Deux zeigt einen apathischen Johan Kobborg, belagert von der ihn hartnäckigen verfolgenden Alina Cojocaru. Nach einigen erfolglosen Fluchtversuchen packt ihn schließlich selbst die Leidenschaft und er reißt Cojocaru in einer „Giselle“-Hebung an sich.
Beim zweiten Stück handelt es sich um das von Russell Maliphant für Sylvie Guillem geschaffene Solo „Two“. Guillem tanzt hierin mit knallroten Haaren, schwarzem Kostüm und fast entblößtem Rücken in einem kleinen Lichtquadrat: Sie wirft ihre langen Arme mal wie Messer um sich, mal lässt sie sie rotieren, dann wieder fließen wie Wasser. Ihre Gesten sind von solcher Präzision und Ausdruckskraft, dass es ihr trotz der minimalistischen Choreografie und der geringen Beleuchtung gelingt, das Publikum an sich zu fesseln – ein Erfolg, der von Guillems tänzerischer Größe und faszinierender Ausstrahlung zeugt.
Der Abend schließt mit „Homage to the Queen“, einem vierteiligen Stück, das Ashton 1952 anlässlich Elisabeths Krönung schuf und von dem nur der letzte Teil „Air“ sowie Elemente des Anfangs und des Endes erhalten sind. Es handelt sich um ein Ballett, in dem die Königinnen der vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft in Begleitung ihres Hofes auftreten, um sich im Finale respektvoll vor dem königlichen Wappen zu verneigen. Monica Mason, Direktorin des Royal Ballet, hatte die gute Idee, die fehlenden Teile durch zeitgenössische britische Choreografen ersetzen zu lassen: Sie beauftragte David Bintley mit der Choreografie des ersten Teils (Erde), Michael Corder mit der des zweiten Teils (Wasser) und Christopher Wheeldon mit der des dritten Teils (Feuer). Dank sehr guter Besetzung (Leanne Benjamin und Federico Bonnelli, Alina Cojocaru und Johan Kobborg, Sarah Lamb und Gary Avis, Darcey Bussell und David Makhateli) kann man das Ganze als Erfolg bezeichnen, wenn auch die Stile zu ungleich sind, um sich harmonisch zusammenzufügen, und gleichzeitig zu zahm, um wirklich innovativ zu sein. Besonders interessant ist Wheeldons Feuer-Partie mit einer wundervoll flackernden Sarah Lamb und einigen Soli des jungen und noch relativ unbekannten Feuergeistes Steven McRae, der mit seiner Virtuosität, Leichtigkeit und Schnelligkeit beinahe den Königinnen die Schau stiehlt.
Nach diesem reichlichen Geburtstagskuchen ließen es sich die Tänzer des Abends, aufgereiht hinter der gesamten Royal Ballet School, nicht nehmen, der Queen ein Geburtstagsständchen zu singen, glitzernde Konfetti fielen von der Decke und das Publikum strömte glücklich hinaus in die warme Londoner Nacht, um möglichst noch ein Lächeln der in ihrer schwarzen Karosse davonfahrenden Queen zu erhaschen.
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