„The Americans“ und drei Balanchine-Juwelen beim Mariinsky Festival

Bis auf Damian Woetzel enttäuschten die Gäste vom New York City Ballet

St. Petersburg, 23/04/2007

In „Serenade“ (Tschaikowski) schuf schon das Eröffnungsbild mit 17 Ballerinen in romantisch langen, weißen Tutus vor blauem Hintergrund Konzentration auf und Bewunderung für die immer wechselnden Formationen und die solistischen Auftritte von Viktoria Tereshkina und Ekaterina Osmolkina, die in einem eleganten Abschlussbild enden, ehe Philipp Neal vom New York City Ballet als erster Mann in dieses Frauenballett eintrat und mit einem Walzer eine neue Abfolge von zentralem Paar und Gruppe einleitete, ohne allerdings auffallende Akzente zu setzen. An die immer wieder schönen Tableaus graziler Feminität, kombiniert mit der Anmut leichten tänzerischen Temperaments, schlossen sich die wunderbaren alten Bühnebilder und Kostüme des nächsten Stückes an, die Georges Roualt für das frühe „Prodigal Son“ aus dem Jahr 1929 kreiert hat, als

Balanchine schon bei Diaghilev arbeitete, aber noch unter dem Einfluss St. Petersburgs stand und Handlung choreografierte. Die Geschichte „Vom verlorenen Sohn“ also stellte einen biblisch imposanten Vater mit Rauschebart (Vladimir Ponomarev) und eine von Damian Woetzel mit großer rebellischer Energie versehene Titelfigur vor Augen. Kaum hat dieser Sohn sich seinem geschützten Zuhause entzogen, verbündet er sich schon im Übermut mit finsteren Gestalten und erliegt der Faszination durch eine Sirene. Was schwer nachzuvollziehen war, denn Maria Kowroski vom New York City Ballet irritierte mit technischen Unsicherheiten und entbehrte in ihrer süßlichen Beflissenheit aller Dämonie und magischen Verführungskraft, die eine Toptänzerin im Zusammenklang mit Prokofievs Musik entfalten müsste. Nackt und verzweifelt schleppt der Sohn sich, nachdem ihm all sein Hab und Gut geraubt ist, zu seinem Vater zurück. In der theatralisch stilisierten Darstellung gelangen Damian Woetzel mit völlig unmaniriert wirkenden Aktionen, die dieses Geschehen als natürlichen Ablauf erscheinen ließen und seiner Figur eine lebendige Dynamik verliehen, durch die sie sehr authentisch wirkte, große Momente, die das Publikum ihm dankte.

Als drittes Balanchine-Werk des Abends, Schlussteil seiner „Jewels“, litt „Diamonds“ besonders unter den amerikanischen Gästen. Körperlich wirkte das groß gewachsene Hauptpaar Maria Kowroski und Philipp Neal elegant. Doch während bei ihr die feinnervig spannende Dynamik und damit die subtile tänzerische Klarheit fehlte, enttäuschte er durch eine sehr flache Kurz-Manege und Mittelmaß in den Grand Pirouettes, und auch ihre Manege konnte man angesichts so vieler russischer Virtuosität, die sonst zu sehen war, nur als schwerfällig bezeichnen. Bei beiden reichte es einfach nicht dazu, das mühelos Beherrschte frei zu präsentieren. Wunderbar daher immer wieder die Rückkehr des Corps mit seinem ausgeprägten Epaulement, durch das die kleinen synchronen Schritte so organisch und dynamisch flirrten, dass es „glänzte“ – aber bei aller Balanchine-Erfahrung legte sich die tänzerische Leistung des amerikanischen Paares wie ein Grauschleier über diese „Diamanten“.


Besprochene Aufführung: 21. April 2007

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