Platel goes Butoh
Deutsche Erstaufführung: „C(h)oeurs" bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen
Club Guy & Roni bei den Ludwigsburger Festspielen - Ausblick auf Sylvie Guillem und weitere hochkarätige Gastspiele
Sie sind so ziemlich das Gegenteil der vergeistigten, ätherischen Ballerina: sechs laute, handfeste Weiber, die sich wie gummigefederte Legionäre auf den Boden werfen und über Schränke klettern, die sich gegenseitig anfeuern und niederschreien, die mit herausfordernden Blicken ironisch, wütend oder offensiv peinlich sind. Allein die pure physische Energie dieser sechs Frauen heizt die Spannung in der Ludwigsburger Karlskaserne bis zum Siedepunkt - Tanz kann so viel unmittelbarer und frecher sein als beim Ballett oder bei den intellektuellen Modernen.
Hinter der Kompanie Club Guy & Roni, mit denen die diesjährige Tanzreihe der Schlossfestspiele begann, verbergen sich Guy Weizman und Roni Haver, ein israelisches Choreografenpaar mit Sitz im niederländischen Groningen. Es war ein Auftakt mit Paukenschlag, denn zusätzlichen Drive bekam der Abend durch die heftige Live-Percussion des Schlagzeugers Elad Cohen. „The Language of Walls“ heißt das vier Jahre alte Stück, und in der „Sprache der Wände“ erzählen uns verratzte Tapeten mit beige-braunem Muster von spießbürgerlicher Ödnis, wo der aufgestaute Frust sich einfach körperlich Bahn brechen muss. Getanzt - oder besser „performt“ - wird zum Beispiel in den drei Etagen einer riesigen Anrichte aus Eiche: Hinter den Schranktüren knallen die Frauen mit dem Kopf an die Wand, stemmen sich wie in einem hell erleuchteten Sarg gegen die Enge, als ginge es um ihr Leben.
Eines der vielen originellen Solos beginnt mit dem provokanten Ausziehen des Slips unter dem Kleid, der neckisch baumelnd an einem Finger vors Publikum gehalten wird, worauf die Entblösste verklemmt mit geschlossenen Knien tanzt und dann, auf den letzten Trommelschlag, das Bein hinters Ohr legt. Nach wütenden Ausbrüchen, traurigen Gesängen oder selbstverliebten Monologen raufen sich die Frauen immer wieder zu einer Gruppe zusammen, werfen sich in Hechtsprüngen auf den Boden, robben wie Soldaten. Das freche Tanztheater kombiniert originelle Bewegungseinfälle mit ein paar Zaubertricks, setzt zu toller Live-Musik feministische als auch sarkastische Akzente.
Fortgesetzt wird die Reihe im schönen Ambiente der alten Reithalle in der Karlskaserne mit „Psitt!! Psitt!!“ und „Caravan“ von Cesc Gelabert, „The Hospital“ von der norwegischen Jo Strømgren Kompani, mit dem hoch gehandelten israelischen Newcomer Hofesh Shechter aus London und der Compagnie Käfig aus Frankreich. Am 23. Juni gastiert das schwedische Cullberg-Ballett mit Choreografien von Mats Ek und Johan Inger im Forum am Schlosspark, am 13. Juli beschließt die Deutschlandpremiere von „Myth“, dem brandneuen Stück von Sidi Larbi Cherkaoui die Tanzreihe.
Im Herbst geht es dann bei der städtischen Tanzreihe des Schlossparks am Forum nicht minder spannend weiter, dort gastieren zum Beispiel die Compañia Antonio Gades, Jean-Christophe Maillots abstrakt-zarte „Romeo und Julia“-Version aus Monte-Carlo sowie die Juniortruppen der spanischen Compañia Nacional de Danza und des NDT. Das Gastspiel des Salzburg Balletts mit Peter Breuers „Tschaikowsky“ dürfte einen reizvollen Vergleich zur fast gleichzeitigen Karlsruher Einstudierung des Werkes ergeben. Höhepunkt der Spielzeit aber ist das Gastspiel von Sylvie Guillem und Akram Khan mit „Sacred Monsters“ am 30. April 2008 (am 29. und 30. Januar 2008 ist sie mit „Push“ und Russell Maliphant übrigens auch im Haus der Berliner Festspiele zu Gast). Nach über zwanzig Jahren kommt die Ausnahmeballerina so immerhin mal wieder in die Nähe von Stuttgart, wo sie 1985 mit Eric Vu An in einem Béjart-Pas-de-deux gastiert hatte. Danach wurde sie nie wieder eingeladen - obwohl sie so gerne die Tatjana in Crankos „Onegin“ getanzt hätte.
Links: www.schlossfestspiele.de / www.forum.ludwigsburg.de
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