„Malakhov & Friends“ begeistern in der Deutschen Oper Berlin

Tanzender Weltbürger und formender Intendant

Berlin, 30/01/2007

Wohlgezielt landeten die Bouquets mit weißen Rosen ihm zu Füßen, dessentwegen sich Stars aus aller Welt auf der Bühne der Deutschen Oper versammelt hatten. Bescheiden und herzlich verteilte der Jubilar die Blumen an seine Gäste, keine behielt er, der Prominenteste unter ihnen, für sich. Zuvor hatte sich Vladimir Malakhov aus seiner Ehrengala mit einem filigranen Solo verabschiedet, das Val Caniparoli vom San Francisco Ballet dem begnadeten Tänzerleib maßgeschneidert hat. „Aria“ assoziiert zu Musik Händels, darunter der schmelzreichen Sopranbravour „Lascia ch‘io pianga“, einen Maskentänzer am englischen Hof, der, ohne jene Gesichtsverkleidung, verwirrt auf die wirkliche Persönlichkeit stößt. Ungemein plastisch gestaltet Malakhov diese Suche nach dem wahren Ich, ruhig, konzentriert, mit freiem Oberkörper, allein mit sich, der Maske und der Musik. Selbstzweifel lassen die Gestalt leichtfüßig durch die Schwärze des Raums fliegen, bis die verordnete Identität siegt, ihm wieder Schutz und Sicherheit gibt: Unterm starr weißen Zweitgesicht schlängelt er sich eidechsenhaft aus dem Licht.

Caniparolis Choreografie meint fraglos auch den Zwiespalt des privaten Menschen hinter der öffentlichen Ikone. Malakhov selbst scheint damit weniger Schwierigkeiten gehabt zu haben. Wie man ihn 1986 vom Ballettwettbewerb Varna in Erinnerung hat, so erlebt man ihn in seiner exponierten Stellung als weltweit umjubelten Solisten und, seit 1999, charismatischen Berliner Ballettchef. Damals gewann der blondsträhnige Teenager aus dem ukrainischen Kriwoj Rog als offensichtliches Ausnahmetalent nicht nur die Sonderauszeichnung der Jugendorganisation Varna, so etwas wie der Grand Prix in der Juniorenkategorie, sondern auch die Herzen der Zuschauer. Um den Abstand zu seiner Leistung zu verdeutlichen, vergab die Jury erst wieder einen 3. Preis. Steil nach oben führte ihn sein Weg: Aus dem Solisten im Moskauer Klassischen Ballett wurde mit rasch erweitertem Repertoire der umtriebige Weltbotschafter des Tanzes, mit festen Stationen in Wien, Kanada, New York, Japan, Stuttgart, Berlin. Choreografen von Rang kreierten für ihn, Zuschauer aller Kontinente erkoren ihn zum neuen Darling.

Zwei Dezennien schon überzieht sein Ruhm die Tanzmetropolen. Mit Freunden feierte er das Jubiläum dort, wo er sich am wohlsten fühlt: tanzend auf der Bühne. Dreieinhalb Stunden währte das Defilee vor entzücktem Auditorium. Neben Julie Kent vom American Ballet Theatre war er nochmals der feingliedrige Romeo, dem in der Balkonszene der erste Kuss seiner Julia auf den Lippen brennt. Zum künstlerischen Höhepunkt des Abends geriet „Serait-ce la mort?“ von Maurice Béjart, die Begegnung eines Mannes mit früheren Geliebten und, schließlich, dem befriedenden Tod. Im Verein mit Shoko Nakamura, Nadja Saidakova, Polina Semionova und einer überragenden Beatrice Knop berührte Malakhov, einzigartig präsent, durch empfindungstiefes Künstlertum. Eingestimmtsein und aufwühlende Charakterformung bewiesen ebenso Joelle Boulogne und Alexandre Riabko vom Hamburg Ballett in zwei Pas de deux ihres Meisters John Neumeier: aus „Schwanensee“ und „Kameliendame“. Mika Yoshioka und Naoki Takagishi vom Tokyo Ballet gratulierten mit einem Duett aus „La Sylphide“, José Carreño vom American Ballet Theatre und Varna-Mitstreiter von 1986 war der juwelenhaft funkelnden Polina Semionova ein formidabler Partner im Liebesgeplänkel zwischen „Diana und Aktaeon“. Ihrem Intendanten bescherten vom Staatsballett Berlin ein würdiges Jubiläumspräsent auch: Iana Selenko und Marian Walter mit einem perfekt getanzten Grand Pas de deux aus „La Esmeralda“, Corinne Verdeil und Rainer Krenstetter in Balanchines gespickter Marschier-Glosse „Stars and Stripes“, Beatrice Knop und Ronald Savkovic in Savkovics temperiertem Beziehungsdrama „Transparente“.

Wieviel Vladimir Malakhov „seiner“ Kompanie zu geben weiß, wie sehr er sie zu motivieren versteht, wie sein Vorbild über die eigene Zeit als Tänzer hinaus zu wirken beginnt - damit hat er sich selbst das wohl schönste Geschenk überreicht.


Nochmals 30.1., 2., 4.2., 22., 25., 29., 31.3., Deutsche Oper Berlin, Kartentelefon 20 35 45 55

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