„Vielseitig und außergewöhnlich“
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Nach St. Petersburg, Berlin, Salzburg, Wien und Rostock/Eisenach nun also auch Pforzheim, wo sich James Sutherland Tschaikowskys annahm. Zwischen Stuttgart und Karlsruhe gelegen, hat es das dortige Stadttheater nicht leicht, sich zu behaupten. Auf der Fahrt zur Premiere von „Tschaikowsky – Ein Leben in Zerrissenheit“ am 23. Januar hatten wir im Schneesturm umkehren müssen. Diesmal klappte es zur vierten Vorstellung. Das Publikum im vielleicht dreiviertel besetzten Zuschauerraum offensichtlich angetan. Wieder wird mir bewusst, wie gut wir doch in Stuttgart dran sind – und wie schwer es die Tänzer außerhalb der Metropolen haben (und oft auch dort).
Zwei Akte, eine Pause, rund zwei Stunden. Immerhin mit dem Städtischen Orchester unter der kompetenten Leitung von Marc Niemann. Der erste Teil, beginnend mit Tatjanas Briefszene aus „Eugen Onegin“ (gesungen von Sofia Kallio) zu einer Musikauswahl aus Oper, Ballett und Konzert: lauter filmische Shortcuts mit den Hauptpersonen, gruppiert um den Komponisten (Toomas Rätsepp), kurz vorgestellt und pointiert charakterisiert: der Knabe und die abgöttisch geliebte Mutter, Der Schwan als Utopie der reinen Liebe (Sanae Moriya), Pjotr Iljitsch im Kreis junger Männer, unter ihnen der spätere Liebhaber (Marek Ranic), die spätere Gattin Antonia (Lucrezia Piatelli) und Frau von Meck (Elsa Genova), zwei Einlagen aus dem „Nussknacker“, Gäste der Society. Die peu à peu sich anbahnenden Konflikte – alles sauber erzählt, aber nicht sonderlich inspiriert. Die großen Gesellschaftstänze (Polonaise, Walzer) zügig arrangiert. Der Komponist – ein Zerrissener? Eher ein etwas steifer Geheimrat. Kommt kaum zum Tanzen, dafür umso mehr zum Mimen.
Nach der Pause sodann die sechste Sinfonie, die Pathétique, als Träume/Albträume, Eine Ehe, die keine ist, Verständnis und Missverständnis, Die Liebe und der Tod. Das sind vier großzügig arrangierte Tableaus, die die musikalische Stimmung reflektieren – meist als Pas de deux. Tschaikowsky, gejagt von seinen Erinnerungen und Zweifeln, der frustrierte Versuch, des Schwans habhaft zu werden, die unglückliche Ehe mit Antonia, das Hin und Her zwischen ihren Verführungsversuchen und seiner Zurückweisung, die distanzierte Beziehung (keine Körperkontakte) zu Frau von Meck (man schreibt sich Briefe), die qualvolle Beziehung zu dem namenlosen jungen Liebhaber, dann eine Art Liebestod, während der Schwan weiter seine Bahn zieht. Das ist alles handwerklich solide gemacht, mit einschlägigen „Schwanensee“-Zitaten, sonderlich poetisch ist es nicht.
Darum bleibt der Gesamteindruck matt. Das liegt auch an dem doch sehr verbeamteten Hauptdarsteller (wie ein Gogolscher Kommerzienrat), an der trotzköpfigen Erotik der Antonia, dem strengen Herrenreiterin-Eindruck der Frau von Meck (wie von Manet gemalt). Einen Hauch von „Schwanensee“-Magie, inklusive der peitschend absolvierten Fouettés, vermittelt Sanae Moriya, ein differenziertes, keineswegs nur unschuldig verführerisches Porträt des jungen Liebhabers zeichnet Marek Ranic. Ich hätte so gern dem Kritiker des Pforzheimer Kuriers beigepflichtet, der „den tänzerischen Leistungen und der facettenreichen, dramatisch mitreißenden Choreografie von James Sutherland“ hohes Lob spendete – schließlich bin ich nach Pforzheim gefahren, um dem Ruf entgegenzuwirken, wir kümmerten uns nur um die Topereignisse und ließen „die Provinz“ links liegen, doch war die Vorstellung leider nicht sonderlich inspirierend.
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