„Vielseitig und außergewöhnlich“
Tanzdirektor Guido Markowitz erhält Kulturpreis der Stadt Villach
Am Theater Pforzheim gelingt Guido Markowitz Wagners „Tristan und Isolde“ als Tanzstück
Ans Ufer rauschende, große Wellen, von oben gefilmt und auf einen Gazevorhang projiziert. Immer wieder. Dahinter eine von Sara Scarella verkörperte Figur, deren Gesicht mit einem hellen Schleier verdeckt ist und zu einem energetisch fein gestimmten Solo voll offener Bewegungen in den Raum ansetzt. Alles im Inneren bündelt sich in dieser Szene. Hoffnung, aber auch Härte, Verzweiflung, aber auch Unabhängigkeit. Ungewissheit. Als das Rauschen verebbt und sich ein surrealer Raum zeigt, bestehend aus dunklen hohen Wänden wie in einem Palast, jedoch merkwürdigerweise bestückt mit großen herabhängenden, wie kalt leuchtenden Lampen, erweitert sich das Spektrum an Zuständen und Emotionen, das sich innerlich aufgebaut hatte. Dann tritt das Ensemble en masse auf. Schlicht schwarz gekleidet tanzt es einen stummen Schrei – wie so oft bei Markowitz. Unter manchen Ärmeln ragen blutrote Hände hervor. Es geht um Gewalt, Tod und Schuld, um ein unabwendbares Geschehen.
Das Potenzial, das die Inszenierung in dieser Phase noch hat, das Musikdrama „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner aus dem Jahr 1865 als eher abstraktes Tanzstück und damit Tanzbild mit vielfältigen Bezügen zur Gegenwart herauszubringen, wird jedoch im Folgenden leider nicht genutzt. Und das liegt interessanterweise an der Kostümierung der beiden Sänger, die bei dieser Pforzheimer Premiere stimmlich und im Zusammenspiel eine hervorragende Leistung bieten: Tenor Dirk Konnerth und die dramatische Sopranistin Dorothée Böhnisch. Wo man Konnerth in seinem blauen Rock mit Streifen über dem nackten Oberkörper mit einem gut gebauten Römer aus „Asterix und Obelix“ assoziiert, wirkt Böhnisch mit ihrem langen, roten Perückenzopf und dem langen Gewand wie eine Mischung aus Majestix und Gutemine.
Wäre man hier andere Wege gegangen und hätte die beiden als moderne Personen durchdekliniert, in spannendem Gegensatz zum hochemotionalen Gesang, hätte das typische und oft altbacken wirkende Spiel der Oper mit der zeitgemäßen Modernität des Tanzes Schritt halten können, ohne das von Markowitz als choreografische Strategie eingesetzte Vexierspiel aufgeben zu müssen. Denn dafür hat sich der Pforzheimer Tanzchef schlauerweise entschieden, um der primären künstlerischen Herausforderung gerecht zu werden, nämlich eine stimmige Balance herzustellen zwischen den beiden völlig gegensätzlichen künstlerischen Sprachen, die in dieser Inszenierung aufeinandertreffen: hier der Operngesang, in dem in bei Wagner heute für Außenstehende oft unerträglich schwülstigen Versen das, was zu erzählen und zu sagen ist, in einem sich für den Tanz oft unerträglich langsamen Tempo eindeutig gesagt wird, und da die Sprache des Tanzes, die genau jenseits dieses Sprachraums der Worte ausschließlich mit der Bewegung des Körpers agiert – vielsagend, aber kaum sagbar.
Kurze Weile und Abwechslung
Und so existieren Tristan und Isolde – in leider identischen Kostümen, denn zum Tanz passte das Kostümbild von Nora Johanna Gromer – sowohl als Paar des Gesangs als auch als Paar im Tanz, bei der Premiere verkörpert von Timothé Duranz Caulliez und Eunbin Kim. Und entweder erzählen Caulliez und Kim im Duett, während die anderen sich gesanglich anschmachten oder aber es geht überkreuz. Das sorgt nicht nur für kurze Weile, Abwechslung und viele Darstellungen anderer Nuancen und arbeitet gegen die vom Gesang installierte Omnipräsenz von Eindeutigkeit in den kommunizierten Handlungen und Gefühlen, sondern schafft umfassend eine gleichgewichtige Gleichzeitigkeit mehrerer Aussageebenen. Diese wiederum in den neunzig Minuten, auf die Markowitz und sein Team das Musikdrama radikal auf die schönsten und emotionalsten Szenen heruntergekürzt haben, jedes Mal zu hundert Prozent auszuspielen, bildet die Klippe, an die Markowitz und sein Team gefährlich nah heransegeln.
So gelingt es Kim und Caulliez als tanzendes Tristan und Isolde-Paar nicht immer, in ihrem Ausdruck mit dem hochemotionalen Spektrum, das Konnerth und Böhnisch gesanglich ausbreiten, Schritt zu halten. Im Gegensatz dazu gelingt dies beispielsweise Mattia Serio in der Rolle der Liebe oder Camille Zany und Benedikt Redlin in der Rolle des Todes sehr gut. Zum Schluss wird man schließlich mit einem traumhaften Schlussbild der doppelt gestorbenen Isolde verwöhnt, die Konnerth auf einem Schiffsbug niederlegt.
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