Der Normalo im Rampenlicht

Im Dock 11 wettstreiten bis auf weiteres fünf „Napoleon D.“ um die Abendkasse

Berlin, 10/06/2008

Begrüßt wird man im Dock 11, als sei man zum Musical „Cabaret“ gebeten: „Willkommen, Bienvenue, Welcome“ steht auf einer weißen Leinwand. Mit der weißen Fläche davor bildet sie den Rahmen für ein so simples wie verblüffendes Unternehmen des post theaters. „Napoleon D.“ basiert auf einem Clip, den 10 Millionen Zuschauer auf der Internet-Videoplattform YouTube gesehen haben sollen. Er zeigt, wie sich ein Teenager namens Napoleon Dynamite aus der amerikanischen Provinz per Lehrvideo eine Choreografie einstudiert und sie dann während der Schülersprecherwahlen seiner High School zum besten gibt. Das muss so skurril und poppig bizarr sein, das es nicht nur Mitschüler und Fernsehgemeinde fasziniert, sondern das post theater zu einer „Show über Männer, Pop, Provinz und das Internet“ angeregt hat. „Mit Tanz“ steht dann noch vorsichtshalber in der Unterzeile der einstündigen Performance.

„Napoleon D.“ ist keine durchlaufende, in sich geschlossene Show, greift vielmehr die Grundkonstellation des Originals auf: Jemand studiert sich oder einem anderen auf der Szene vor einem vorproduzierten Video etwas ein und erhebt diesen Probenvorgang zum eigentlichen Ereignis. Fünf Choreografen waren geladen, jeweils zehn Minuten dürfen ihre Beiträge dauern; am Ende wählen wie bei einer Castingshow die Zuschauer den besten Beitrag. Die Abendkasse, heißt es, sei der Gewinn. Fun also für alle - schon als die Leinwand unter Gewitterblitzen den Moderator ausspeit. Als erster wirft Clint Lutes Christian Schwaan in die Arena. Chamäleonhaft vor/rück krabbelt er auf dem Video, mit vernetztem Gesicht und in Pumps posiert er androgyn auf der Szene, fällt schuhlos zurück in seinen männlichen Anteil, tanzt dynamisch unter Bildern schnappender Monstermünder, bis ein Knall ihn zu Boden schmettert und schwarze Flecken das Video zudecken. Christoph Winklers Sequenz nimmt den Titel wörtlich und so Bezug auf Frankreichs vormaligen Diktator. Über sein Land parlierend verwandelt sich Florian Bilbao mit Dreispitz und Zweireiher in Napoleon, überreicht dem Moderator eine Trikolore und ruft ihm anfeuernd Bewegungskommandos zu. Wie an Sprachfäden gerät der als Marionette in tobenden Diskotanz, die Zuschauer dürfen Fähnchen schwenken.

Endgültig ironisch löst Martin Clausen die Aufgabe. Er schickt eine ungelenk tänzelnde Figur vor gerahmtem Videobild in den Wettbewerb und flicht, ganz Schauspieler, immer wieder absurde kleine Monologe ein, die die Situation gleichsam ver- und entwirren: ob eine Geliebte aus dem Kriegslazarett 30 Jahre auf ihren Freund wartet, wo im Hirn unsere Nicht-Geschichten gespeichert sind. Mit seinen amüsanten Nicht-Schnipseln siegte er am besuchten Abend. Mathieu Burner & Nabih Amaraoui holten in Anlehnung ans Original einen Freiwilligen auf die Bühne und flüsterten ihm die Choreografie per Kopfhörer ein. Solchermaßen verbal fremdgesteuert löste jener Paulo seine Aufgabe mit Bravour. Und Nir de Volff schließlich erinnerte sich seines jüdischen Bar Mizrah-Rituals, als er, ein Junge mit irakischem Hintergrund, 13-jährig zu Tel Aviv in die Religionsgemeinschaft aufgenommen wurde. Die geworfenen Süßigkeiten, erzählt er, seien sein Vergnügen gewesen, und das können ihm hier die Zuschauer bereiten. Dass das Publikum in dieser Produktion wertet, bereitet wiederum dem Kritiker Freude.

Kommentare

Noch keine Beiträge