Ein Fragment des Orients

Mit der 1990 in Brüssel gegründeten Compagnie Thor und ihrem Stück „D’Orient“ verabschiedete sich die Hamburger Kampnagelfabrik in die Sommerpause

Hamburg, 12/06/2008

Die Compagnie Thor, das sind acht Tänzer unterschiedlichen Alters und Herkunft, eine rein männliche Truppe. Schon daran wird deutlich, dass sich das Stück eine gewisse Selbstbeschränkung auferlegt: „D’Orient“, über den Orient, aber nur den der Männer. Es bleibt deshalb ein Fragment, es fehlt das Weibliche, Feminine, und natürlich die spannungsgeladene Konfrontation der beiden Geschlechter. Das ist schade und lässt das Stück eindimensional bleiben, bei einem Thema, wo die Vielschichtigkeit und Gegensätzlichkeit das Ganze gerade erst richtig interessant macht.

„D’Orient“, das sind dahingeworfene, atmosphärisch oft sehr dichte Skizzen einer verrätselten Welt, Monologe, Dialoge und Begegnungen. Der Choreograf Thierry Smits verarbeitet darin Erfahrungen aus seinen Reisen durch Marokko, Syrien, Tunesien, Ägypten und den Libanon. „D’Orient“ beginnt im Hamam, dem orientalischen Badetempel. Wie Skulpturen lagern sich acht Männerkörper im Raum. Einzelne lösen sich, gruppieren sich neu, verlassen einander, finden neue Partner, andere Ensembles. Das ist ein Kommen und Gehen, Finden und Verlieren, Verschmelzen und Trennen, Wälzen und Dehnen, Strecken und Kauern. Katzenhaft geschmeidig, zärtlich ebenso wie latent aggressiv, verhalten und dynamisch, findet Smits eine eigene, bei aller Erotik nie schwüle und stets ein wenig distanzierte Bewegungssprache. Nie finden die acht Körper zu einer vollkommenen Einheit, das Trennende dominiert. Die elektronische Musik mit erkennbar arabischem Anklang verwirrt ein wenig durch nicht zuzuordnende Hochtöne (oder war’s eine elektronische Fehlkopplung??). Hier wäre ein Live-Ensemble mit wenigen Zupfinstrumenten und Percussion schöner, atmosphärisch dichter und passender gewesen als die sterile Musik vom Band.

Im zweiten Teil mutiert der weiße Tanzboden im ansonsten leeren und lediglich schwarz abgehängten Bühnenraum zur Wüste, indem die acht Tänzer – sehr schön in die Szene integriert – Säcke voller Baumwollflocken auskippen, eine schöne, lustige, humorvolle Spielerei, konterkariert wiederum durch die Vereinzelung, die Einsamkeit. Die Wüste als endloser Raum, in dem sich Menschen mehr verlieren als finden. Ebenso flugs jedoch wird die Wüste nach diesem Intermezzo wieder zum Tanzboden, indem die acht Männer die Baumwolle mit den Säcken, aus denen sie sie ausgekippt haben, behände auf allen Vieren über den Boden wieselnd wieder beiseite schieben und somit Raum schaffen für Teil 3 des Stücks – eine ausgelassene Festszene, die jedoch zum Schluss hin teilweise etwas martialisch-militärisch anmutet.

Über aller Heiterkeit schwingt da auch ein leises Unbehagen mit. Die Faszination, die sich anfangs schon durch das Thema und das Ensemble der acht tanzenden Männer einstellt, verliert sich leider im Laufe des Stücks allzu rasch. Dabei gibt es viele schöne Details, viele elegante Körperdialoge. Aber zu unterschiedslos spult Smits sein Bewegungsvokabular immer wieder von neuem ab, und wenn das zum dritten, vierten und fünften Mal in ähnlicher Weise geschieht, wird es einfach langweilig – gefällig, aber ohne wirklichen Tiefgang. Schade.

 

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