Jauchzen und Jubeln zum Jahresschluss

Eine Festtagsgala in Dresden

Dresden, 29/12/2008

Die Bilanz der Dresdner Kompanie zum Jahresende fällt gut aus. Zunächst der Erfolg in Berlin beim Festival „Tanz im August“, dann präsentiert sich das Ensemble zur Dresdner Erstaufführung des Klassikers „La Bayadére“ in Bestform und jagt im weißen Wahnsinn des Schattenreiches Wonneschauer von der Bühne ins Theater. Im Repertoire der mehrteilige Abend „Dreamlands“ und David Dawsons Version der „Giselle“. Selbstbewusst wird zum Jahreswechsel zur Festtagsgala geladen, die das Publikum vom himmlisch blauen Beginn bis zum heiteren himmlischen Finale bejubelt. „Exsultate! Exsultate!“ steht über dem Superabend, der gemäß dem lateinischen Titel zum Jauchzen ist, an dem in sechs Choreografien die Kompanie zeigt was sie kann und zugleich Lust weckt auf das, was in weiteren Produktionen zu erwarten ist.

Bis auf die Premiere einer Choreografie des ersten Solisten Jiří Bubeníček handelt es sich um Stücke des Repertoires, die man so in neuer Zusammenstellung sehr gern wieder sieht. Der Abend beginnt mit „A Million Kisses to my Skin“ von David Dawson. In strahlendem Blau, zu Johann Sebastian Bachs Klavierkonzert d-Moll, BWV 1052, drei Paare und drei Tänzerinnen in wunderbar gelöster Stimmung aus dem Geiste jubilierender Musik, zu der das Memento des Mittelsatzes sich harmonisch fügt. Da springt der Funke über, die exzellenten Tänzerinnen und Tänzer, solistisch, als Paare oder in der Gruppe, fast immer über dem Boden, dabei in spannender Asymmetrie, vermitteln ein Gefühl von Überwindung aller Erdenschwere und bleiben doch als Persönlichkeiten gänzlich irdisch. Eugen Feldmann als Solist, die Damen und Herren der Staatskapelle unter der Leitung von David Coleman musizieren Bach beschwingt; dass eine gewisse Nachdenklichkeit mitschwingt, kommt dem himmelstürmenden Jugendwerk des Dresdner Hauschoreografen nur entgegen.

Die technische Brillanznummer „Grand Pas Classique“, nach Victor Gsovskys Huldigung an die Strenge des klassischen Tanzes von 1949, mit der Musik von Daniel-François-Esprit Auber, hat Ballettdirektor Aaron S. Watkin den jungen Tänzern Kanako Fujimoto aus dem Corps de Ballet und Pavel Moskvito aus der Gruppe der Coryphées anvertraut. Aller Anfang ist schwer. Ein solcher zumal, eine gewaltige Herausforderung dazu. Nervosität und Unsicherheiten eingeschlossen, ein beachtlicher Anfang.

Schwindelerregend, sinnlich und lustvoll auf Spitze, folgt William Forsythes „The Vertiginous Thrill of Exactitude“. So getanzt wie hier von Anna Merkulova, Mariane Joly, Katherina Markowskaya, Denis Veginy und Maximilian Genow, der mit so eleganter wie technisch verblüffender Präsenz schon im ersten Stück auffällt, ist spitze. Man möchte es Franz Schubert wünschen, dass er sehen könnte, wie so heitere Seelenvögel geschwind zu seiner Musik aus der achten (früher als neunten gezählten) Sinfonie in C-Dur durch den Raum wirbeln und die Vision vermitteln, dass für Momente wenigstens aller Kummer ein Ende habe, alle Einsamkeit dahin sei, und nur noch Freudentränen geweint werden.

Jiří Bubeníčeks Choreografie „Kanon in D-Dur“, die er gemeinsam mit Fabien Voranger und István Simon tanzt, ist bei aller Bewegungsenergie ein nachdenkliches, geheimnisvolles Werk mit leichten humorvollen Einwürfen. Zunächst, zu einer drohenden Klangcollage von Otto Bubeníček, gehen die Männer auf Lichter zu, die in der Bühnentiefe, unter der doppelten Widergabe eines Bildes von Leonardo da Vinci, das von menschlicher Vergänglichkeit erzählt, verlöschen. Die Staatskapelle spielt den bekannten Kanon von Johann Pachelbel in satten Tönen, die in ruhigem Fluss dahingleiten. Soghaft und tröstend zugleich. Angstfrei, unabänderlich. Dazu ein männlicher „Lebenstanz“. Zunächst einzeln, nacheinander, dann miteinander, begleitend, aufhelfend, vorbeigleitend und verklingend. Vom Boden in die Höhe und zurück. Vergeblichkeit. Ein Kanon aus Klang und Bewegung voller Energie. Am Ende sind die Engel mit Mozart unter sich.

Zwei Klassiker der Tanzmoderne von Jiří Kylián, „Petite Mort“ – leider nur ein Teil der Choreografie – und „Sechs Tänze“. Zunächst drei Paare erster Solisten, Natalia Sologub und Jiří Bubeníček, Olga Melnikova und Fabien Voranger, Yumiko Takeshima und Raphael Coumes-Marquet in ihren sinnlichen Varianten der kleinen „Liebestode“, die trotz Aggression und Schmerz doch schönster Grund allen Lebens sind. Johannes Wulff-Woesten ist der Solist im Andante aus Mozarts Klavierkonzert C-Dur, KV 467, dem als Zwischenspiel das Divertimento in D-Dur, KV 136, folgt. „Sechs Deutsche Tänze“, das Satyrspiel zum Finale, da bricht der himmlische Humor sich ganz irdisch Bahn auf der ehrwürdigen Bühne der Semperoper. Der schöne Spaß von Liebesfreud und Liebesleid. Zusammenzukommen ist eine Sache, zusammenzupassen eine andere. Also geht es sprungfidel und kreuz und quer durch die Beziehungen der vier Paare, erotisch oder chaotisch. Die Zeit vergeht im Flug. Eben, wie im Ballett.
 

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