Düstere Visionen
Das große Sommertanzfestival ImpulsTanz in Wien startet mit starken Themen
Anna Teresa de Keersmaeker taucht ab in die Unschärfen der Grenze zwischen Choreografie und Improvisation, Romantik und Desillusion
Zeitung war ursprünglich ein Begriff für eine beliebige Nachricht. Seit dem 18. Jahrhundert ist die Zeitung ein gedrucktes Medium mit aktuellem Inhalt: Gerade diese Flüchtigkeit und die Macht des Augenblicks steht im Zentrum von Anne Teresa De Keersmaekers neuem Stück „Zeitung“, das erstmals in Österreich bei ImPulsTanz im MuseumsQuartier zu sehen ist.
Keine leichte Kost choreografiert De Keersmaeker zu anspruchsvoller Musik von Johann Sebastian Bach, Anton Webern und Arnold Schönberg. Während Orchesterstücke vom Band eingespielt werden, spielt Alain Franco live Klavier. Die nachhallende Akustik der Halle E erweist sich als einziges Manko des knapp zweistündigen Stücks, das Tanz nie als visualisierte Komposition betrachtet und dennoch eine Symbiose zur Musik schafft.
Zu Weberns „Entflieht auf leichten Kähnen“ setzt die Choreografie mit einem Duett ein. Wie eine Puppe wird eine Tänzerin von ihrem Partner geführt, doch sie emanzipiert sich und steht schnell auf eigenen Beinen. Durchaus ein Sinnbild für das Verhältnis von Tanz und Musik.
Für Soli und Duette entwickelte De Keersmaeker mit David Hernandez und den neun Tänzerinnen und Tänzern von Rosas ein energetisch fließendes Bewegungsvokabular, oft mit Drehungen, Sprüngen und Handbewegungen, die De Keersmaekers Handschrift in neuem Licht erscheinen lassen. Die Choreografie sieht zu jeder Komposition anders aus, eine besondere Dynamik stellt sich bei den Tänzern zur Musik Bachs ein.
Dazu findet das Choreografen-Duo immer wieder neue geometrische Raumauflösungen, die in den Gruppenszenen durch Positionswechsel eindringliche Bilder ergeben. Das schlichte Bühnenbild mit Türen und Bodenmarkierungen von Jan Joris Lamers unterstützt die abstrakte Wirkung.
Im Unterschied zur Musik, die keine Fehler verzeiht, darf der Tanz straucheln – und dürfen die Tänzer zu Boden stürzen. Der Interpretation der Musik durch den Tanz sind nur durch die Gesetze des Körpers und seiner Fähigkeiten Grenzen gesetzt.
Das Aufzeigen des Dialogs von Musik und Tanz, die nicht immer zueinander finden und doch so harmonisch wirken, macht die besondere Qualität des Abends aus.
Mit freundlicher Genehmigung des Kurier
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