Durch Tanz „die Welt ein bisschen schöner machen“

Deutscher Tanzpreis und Tanzpreis Zukunft 2009 an Heinz Spoerli und Marijn Rademaker

Essen, 22/03/2009

„Vielleicht können wir Tänzer die Welt ein bisschen schöner machen, damit nicht so schreckliche Dinge passieren wie vorige Woche“ (in Winnenden) – er jedenfalls werde sein Bestes geben, versprach Marijn Rademaker am Ende seines Dankes für den Deutschen Tanzpreis 'Zukunft' 2009 gestern Abend im Essener Aalto-Theater. Hektik und Panik herrschten im Vorfeld des festlichsten Tanzereignisses, das NRW seit Jahren zu bieten hat mit der Gala zur Verleihung des Deutschen Tanzpreises. Denn der 27-jährige Stuttgarter Jungstar darf wegen eines Ödems auf unabsehbare Zeit nicht tanzen. Empfindlich in Mitleidenschaft gezogen waren dadurch das künstlerische Programm und die Dramaturgie des Abends. Die Videoeinspielungen des 1. Akts von Heinz Spoerlis „Peer Gynt“ mit Rademaker in der Titelrolle und ein kaum über zehn Minuten dauernder Trailer von Rademaker-Ballettkapriolen waren nur ein Trostpflaster. Als Nachweis des choreografischen Könnens und der Vielseitigkeit Heinz Spoerlis, des diesjährigen Tanzpreisträgers, allerdings taugte der Film allemal. Ebenso legten sein Zürcher Ballett und das Junior-Ballett eindrucksvoll Zeugnis von dem exzellenten Zustand der Kompanie ab. Aus der Vielzahl tänzerischer und choreografischer Glanzlichter beeindruckten mich besonders der Pas à trois aus der dreiteiligen „Choreografischen Uraufführung“ auf Bachs Bariton-Arie der Kantate „Ich habe genug“ (Yen Han, Arman Grigoryan und Vahe Martirosyan), die Händel-Variationen aus dem „Brahms“-Ballett (David Mulligan als getriebener Komponist inmitten der Kompanie, am Flügel begleitet von Alexey Botvinov), und ein berückend atmosphärischer Ensemble-Ausschnitt aus dem „Sommernachtstraum“ auf Phil Glass' Violinkonzert (mit Chloe Hanslip und den Bochumer Symphonikern unter dem Stuttgarter Ballettdirigenten James Tuggle).

Der undotierte, seit 1983 vergebene „Deutsche Tanzpreis“ wird seit 2005 auf Anregung von Birgit Keil durch den (von Sponsoren in unterschiedlicher Höhe dotierten) „Tanzpreis Zukunft'“ ergänzt und seitdem von dem neu gegründeten Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Tanzpreis-Initiator Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik verliehen. Um so erstaunlicher, dass der Ablauf noch immer – auch in Jahren ohne krankheitsbedingte Ausfälle beteiligter Künstler – zu wünschen übrig lässt. Hatten sich zwar diesmal Schirmherr Dr. Wolfgang Reiniger und selbst Organisator Ulrich Roehm zurückgehalten, so war der erste Teil mit zweieinhalb Stunden Dauer wesentlich zu lang, und die Abfolge der künstlerischen Beiträge offensichtlich allein aus technischen Rücksichten festgelegt. So wurde die ausgesprochen reizvolle dreiteilige Bach-Choreographie „herzlos“ aus einander gerissen. Zwei Pausen sind dringend notwendig, will man sich nicht mit weniger Tanz bescheiden – was durchaus denkbar wäre, wenn der Abend von einer einzigen Truppe wie diesmal bestritten wird.

So faszinierend Spoerlis choreografische und thematische Vielfalt ist, so exquisit das neoklassische Können des Zürcher Balletts. Keine Minute wollte man missen von der tiefgründigen, menschlichen Laudatio Martin Schläpfers auf Spoerli, dessen Startänzer er jahrelang war und Nach-Nachfolger an der Rheinoper er jetzt wird. Spoerli sei ein „Gesamttalent“ aus Ballettdirektor, Macher von Kompanien, Geschäftsmann und Choreograf, analysierte der Noch-Mainzer Ballettchef. Kein zeitgenössischer Choreograf könne derart treffend Klassiker ins Heute transponieren. Christian Spuck stand Schläpfer mit seiner launig-freundschaftlichen Laudatio auf Marijn Rademaker nicht nach und zeichnete ein ebenso ehrliches Konterfei des charismatischen, natürlichen Jungstars wie der sich selbst in seinem Dank an die Menschen, die ihn bisher am nachhaltigsten geprägt haben, unzimperlich gab. Spoerli gratulierte „seinem“ Peer Gynt und bekannte: „Musik und Tanz sind mein Leben“. Unerwartet in die Reihe der bisherigen Preisträger aufgenommen worden zu sein, „adle“ ihn.

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