Lieber tot als alt

Davide Bombana zeigt „Carmen“ als Ballett an der Volksoper

Wien, 23/11/2009

Mythisch und modern zeigt sich Carmen in Davide Bombanas „Ballett: Carmen“ beim Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper in der Volksoper. Für Wien erweiterte der Choreograf seine 2006 in Toulouse entstandene Fassung auf zwei abendfüllende, facettenreiche Akte. Bombana gelingt eine überzeugende Charakterisierung der Protagonisten. Nebenhandlungen und Schauplätze werden zugunsten einer Straffung der Handlung in den Hintergrund gedrängt.

Ketevan Papavas Carmen kennt nur die Treue zu sich, ist eine verführerische Frau, die den Augenblick genießt. Ein visionäres Zusammentreffen mit der gealterten Carmen, berührend dargestellt von der ehemaligen Ersten Solotänzerin Gabriele Haslinger, wird zum Ausgangspunkt für das fatale Ende. Diese Carmen kommt den heutigen Wahnvorstellungen von ewig jungen, dabei einsam bleibenden Frauen erschreckend nahe. Am Ende wird sie freiwillig in Josés Messer laufen: Sie fürchtet den Tod weniger als das Altern. Als ihr Gegenpol erscheint Micaela. Karina Sarkissova lässt keinen Zweifel daran, wie groß ihre Sehnsucht nach Liebe ist. Sie wird zur tragischen Figur, deren Wünsche unerfüllt bleiben. Im Unterschied zu Carmen verzichtet sie auf den Spitzenschuh und erinnert in ihren Soli an Modern-Dance-Choreografien von Martha Graham. Eigensinnig und beinahe so stark wie Carmen wirkt Kirill Kourlaev als José. Seine Faszination für Carmen macht ihn zum Mörder. Er steht zwischen zwei Frauen und setzt seine Qualitäten als Tanzpartner so ein, dass die Unterschiede in seinen Beziehungen zu Carmen und Micaela allein aus seiner Haltung hervorgehen. Die Figur des García übernahm Bombana aus der „Carmen“-Novelle von Prosper Mérimée. Er ist der kriminelle Ehemann Carmens, den Mihail Sosnovschi mit beeindruckend kühler Plakativität erfüllt.

Doch weder Garcías noch Josés Virilität kann Carmen befriedigen. Gewagt ist Bombanas Deutung Escamillos, der nicht Torero, sondern ein Minotaurus ist. Gregor Hatala tanzt den animalischen Verführer. Die schlichte Ausstattung Dorin Gals kommt mit Anspielungen auf Spanien und das 19. Jahrhundert aus. Die Musik mischt live unter Dirigent Guido Mancusi gespielte Kompositionen von Georges Bizet und Rodion Schtschedrins „Carmen“-Ballett mit Tonbandeinspielungen von Walter Fähndrich, Alexander Knaifel, Meredith Monk und Les Tambours du Bronx.

www.dasballett.at

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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