Marco Goecke als der Fortinbras des Stuttgarter Balletts?

Das Scapino Ballett Rotterdam

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Ludwigsburg, 08/04/2009

Sie sind die Touring Company der holländischen Ballettszene – mehr auf Achse als ihre Kollegen vom Nationalballett oder den beiden Truppen des Nederlands Dans Theaters. Seit 2002 ihr Chef, liebt Ed Wubbe die großen musikalischen Brocken. Beim Gastspiel im Ludwigsburger Forum jetzt Bachs „Johannes-Passion“ – oder doch wenigstens einen Ausschnitt daraus. Dazu – in einer grässlich übersteuerten Einspielung – lässt er sieben junge Männer in schwarzen Hosen mit nacktem Oberkörper die Bühne in Schrauben-Motionen und mit Windmühlenflügel-Armen durchpflügen – als Vergleich der Größe von Bach mit der Kleinheit des Menschen, so steht es jedenfalls auf dem Programmzettel.

Irgendwelche Korrespondenzen – auch kontrapunktische – zwischen Musik und Choreografien außer der Nutzung der musikalischen Antriebsenergien waren nicht zu entdecken. Genauso wenig wie die Erkundung gegensätzlicher Gefühle zweier Tänzerpaare in Wubbes „Quartett“: vier Tänzer, die eher ziellos auf der Szene herummosern – modernes Ballett, prêt à danser aus der choreografischen Konfektionsabteilung von Peek & Cloppenburg. Da sind wir doch aus dem Land der van Manen und Kylián ganz andere tänzerische Kost gewohnt! Die lieferte dann allerdings der zweite Teil des Programms – und die kam aus Stuttgart – vom Hauschoreografen des Stuttgarter Balletts, Marco Goecke.

Zuerst, quasi als seine Visitenkarte, das „Äffi“-Solo, das wir aus Stuttgart so gut kennen und das hier nun, interpretiert von Tadayoshi Kokeguchi, seine globale Verbindlichkeit bewies (ausgezeichnet mit dem Goeckeschen Qualitätsstempel wie Fokines „Sterbender Schwan“). Und dann wurde es sogar noch richtig aufregend – mit Goeckes weit ausholendem „Der Rest ist Schweigen“, entstanden 2005 fürs Scapino Ballett. Ein groß besetztes Stück, mit Alphörnern, zusammengepuzzelt aus choreografischen Elementarteilchen wie den Bausteinen einer kybernetischen Welt. Mit Lebewesen, die eher Insekten als Menschen suggerieren. Und hier demonstrierten die elf Tänzer, wie verwandlungsfähig sie sind, wenn sie denn entsprechend gefordert werden. Und was soll hier nun beschwiegen werden? Laut Hamlet und seinem „sterbend Wort“ die Prophezeiung der Erwählung von Fortinbras. Goecke der Erfüllungsgehilfe des Cranko-Erbes alias der Fortinbras des Stuttgarter Balletts? Aussichten sind das!

 

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