Heuschrecken als leichte Sommerkost
Das Tanztheater München lädt zu düsteren „Körpersprachen III“
„Short Cuts“ von Mitgliedern von Henning Paars Tanztheater München
Am Ende kommen sie, freundschaftlich untergehakt, in geschlossener Reihe nach vorne, die strahlend glücklichen Mitglieder von Henning Paars Tanztheater München (TTM) am Gärtnerplatztheater. Geschafft! Und mit Bravour. Die zweite Runde von „Short Cuts“, letztes Jahr initiiert als Labor für choreografisch interessierte Tänzer, erwies sich als wahrer Talente-Pool. Man wird in einen regelrechten Bewegungsrausch versetzt: kraftvolles Schwingen aus der Mitte des Körpers, scharfkantige Roboter-Gestik, zu Boden gehende akrobatische Figuren – die TTMs können wirklich alles, und das mit scheinbar gelenkloser Leichtigkeit. Als Choreografie-Newcomer ist man da schnell verführt, das im Körper gespeicherte Tanzwissen einfach nur frei rausfließen zu lassen. Was an diesem Abend manchmal der Fall war. Schön anzusehen ist das immer noch. Für ein Stück braucht es jedoch auch Gefühl für Raum und Licht, eine thematisch unterstützende Musik, vor allem eine greifende Ausgangsidee.
Die hat die Armenierin Maida Kasarian in ihrem Erstling „The Audition“/“Das Vortanzen“: Ballettmeister und Bewerber – ein witzig-schriller Jahrmarkt der Eitelkeiten und Absurditäten. Die Zypriotin Carolina Constantinou überzeugt als düster ausdrucksstarke Endzeit-Wahrsagerin in ihrem Solo „Epilog“. Camelia Georgescu Neagu fängt mit ihrem „Fade to black“/“Im Schwarzen verlöschen“ im selbstentworfenen klösterlich strengen Säulen-Raum zu rumänischem Kirchengesang subtil eine spirituelle Atmosphäre ein. Das Gruppenstück „Wake me up when it‛ s over“ der New Yorkerin Loni Landon, das sich auf einer Wach-Traum-Ebene bewegt, sticht hervor durch ihre gleichsam aus den Körpern lodernd-zuckenden Bewegungen. Ihren Willen zu einer noch mal ganz individuellen Bewegungssprache – schwierig genug bei dem aktuell dominanten Contemporary Stil – und ihr hochgradig feines Gespür für die Spannung zwischen Musik und Tanz hätte man auch anderen gewünscht.
Hervorzuheben zwei Tänzer mit allerdings schon längerer choreografischer Erfahrung: bei dem Holländers Erik Constantin ein tiefschwarzer diagonaler „Crossroad“/“Scheideweg“, zeichenhafte verinnerlichte Gesten, wildes Stampfen in Schnürstiefeln zu Klezmer- und Zigeunermusiken – und man ist unmittelbar hineingezogen in diesen Auf- und Widerstand gegen eine dunkle Übermacht. Der Franzose Antonin Comestaz, Ex-Tänzer bei Hamburgs John Neumeier, entlässt auf seinen „Playground“/ „Spielplatz“ eine hinreißende Horde von überdrehten Commedia-dell‛arte-Figuren, bewegungserfinderisch, voller Witz und Ironie.
„Short Cuts II“ aus der Hand von neun (!) verschiedenen Nationalitäten könnte man fast als internationalen Wettbewerb sehen. Aber statt Wettkampf-Einstellung tanzen die jungen Choreografen mit ultimativem Enthusiasmus noch in den Stücken ihrer Kollegen mit – vielleicht sogar auf Kosten der eigenen Arbeit. Jedenfalls zeugt dieser Einsatz vom außergewöhnlichen guten Ensemblegeist des TTM – und macht natürlich letztlich diesen Abend zum Erfolg. Weiter so!
Nochmals 23. 7., 19:30 Uhr
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