Von der Sprache zum Tanzstück
Ein Interview mit Angela Schubot und Martin Clausen von „Two Fish”
Ob sich Tanz und Musik, seit Urzeiten Schwesternkünste und im Theaterbereich nach wie vor untrennbar verbunden, noch leiden mögen, fragt verblüffend die Gruppe Two Fish in einer Arbeit mit dem wenig erhellenden Titel „Walking the Dragon“. Und hat dazu die Berliner Rockformation Dish als Gast eingeladen. Das könnte im Zusammenspiel von Rock und zeitgenössischem Tanz ein spannendes Experiment sein. Links auf der leeren Szene des HAU 3 hat die Band ihr Instrumentarium aufgebaut, links steht lange reglos und mit dem Rücken zum Zuschauer Andreas Müller. Als die Musik einsetzt, erfasst den Performer eine Schüttellähmung, die ihn zu Boden drückt. Auch dort verlässt ihn die Anspannung nicht, bis er verwirrt aufsteht und durch den Saal abgeht. Mit der Musik und ihrer Refrainzeile „The end of the line“ hat das freilich ebenso wenig zu tun wie die Minimalwendungen von Juli Reinartz zu „Love you baby“. Ohne Musik macht sich ihr Körper dann breit und rund, gerät in Rage.
Nein, Bewegung und Rock halbieren sich zwar den Spielraum, aber leiden mögen sie sich bis dahin offenkundig nicht. Erst Ayara Hernández Holz nimmt mit vibrierendem Oberkörper den Rhythmus der Musik auf, flicht ein unsichtbares Band zur Band, selbst wenn der Tanz über Rock-Gogo-Dancing kaum hinausreicht. „Give me more“, hieß es im Text. Wie ein staunendes Marsmännchen wandert dann Martin Clausen im Bandgefilde hin und her bei einem Song, den Sänger Espin Bowder seiner Ex-Freundin gewidmet hat. Weil dem Tanz wieder nichts einfällt, reißt Bowder Clausen an sich, wiederholt zweimal den Refrain, haucht dem Performer eine plötzliche Explosion wilder Sprünge ein. Lange stehen danach die zwei Tänzerinnen, befasst mit winzigen Blickwendungen, Verdrehungen und Krümmungen, ehe sanftes Gitarrenspiel sie in Gang setzt. Durch den Saal tritt der Sänger hinzu, singt aus der Ferne „I’m thinking“. Endlich belebt sich der Raum, wird Angela Schubots bislang nur behauptete Inszenierung spürbar. Auch die beiden Männer finden sich ein, zelebrieren in plastischen Posen stilisierte Zärtlichkeit, mit Intimität, Hingabe, Vertrauen und nicht ohne Witz, wenn sich Beine in selbstläufiger Mechanik gefallen. Swingend jazzig zu diesem besten Teil der Song.
Es folgt der übliche Clausen-Beitrag. Während seine Kollegen in Zeitlupe zu Boden gehen, brabbelt er Bruchstücke von Dada-Sätzen, schiebt „ein paar Gefühle“ nach. Richtig entfalten sie sich erst nach der Pause, das Zwerg-, Monster-, Randgruppengefühl und welche immer, die dem Absurden im Banalen nachforschen wollen: Philosophismen, Weisheiten, Lyrik. Dann wird es ganz arg. Das Quartett legt sich streichelnd, verknotet sich. Bass und Gitarre gehen auf Müller zu, werfen ihm Töne hin. Der Akteur hört nichts, feiert seine hinlänglich bekannten zuckenden Spasmen, statt fein auf das musikalische Angebot zu reagieren. „Cup of tea“ kündigt Bowder als letzten Song an. Die Band hat ordentlich ihre Show gemacht, die Performer gerinnen zu stehender Bedeutungslosigkeit, auch wenn die Frauen noch rasch so kurz wie überflüssig ein Duett nachreichen. „Walking the Dragon“ ist ein Lehrstück für dramaturgischen Nonsense, choreografische Hilflosigkeit und tänzerisches Geringvermögen.
Bis 24.10., 19.30 Uhr, Hebbel am Ufer, Tempelhofer Ufer 10, Berlin-Kreuzberg
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