Bunga bunga
„Platzregen / Eine Entfernung zu Peter Handke“ uraufgeführt im Theaterhaus Stuttgart
Fabian Chyles Tanz- und Musiktheater „Schaulaufen 2010“ im Theaterhaus
Eigentlich kommt der Begriff ja vom Eiskunstlauf, aber im Theaterhaus wird beim „Schaulaufen 2010” lieber eine stilechte Rumba gezeigt. Das Bewegungstheater mit etwas Tanz und Musik ist der dritte Teil einer Reihe namens „Projekt H”, in der sich der Stuttgarter Choreograf und Performance-Künstler Fabian Chyle mit Peter Handke beschäftigt. Laut Programmheft soll es um Handkes Verstrickung ins internationale Medienkarussell gehen, nachdem er im Kosovo-Krieg 1999 für die Serben und gegen die Nato Partei ergriff und so nach Meinung seiner Kritiker Kriegsverbrechen verharmloste. Wer sagt die Wahrheit und wer nutzt die Medien, um Lügen zu verkaufen?
Thema des Abends ist nicht der Krieg, sondern sein Erscheinen in den Medien; es geht um die Täuschung, also sozusagen das Hauptgeschäft jeder Theateraufführung. Wir sollen sie hier nach den Worten von Dramaturg Hans-Peter Jahn sowohl genießen als auch korrigieren. Das mit dem Genuss haut definitiv nicht hin, höchstens man steht auf das manierierte Hüft- und Armgeschwenke eines Turniertanzpaares, das viertelstundenweise um eine große, schmutzig-weiße Kiste herumstolziert, unterbrochen durch das selbstreferenzielle Plaudern eines Conferenciers und die bunten Ansagen auf einer schicken neuen Videowand (Bühne: Adrian Silvestri).
„Es war einmal” erstrahlt es grellgelb am Anfang, „und sie lebten glücklich” heißt es nach anderthalb Stunden, offensichtlich wird uns ein Märchen vorgeflunkert. Hinter den vielen Türen der weißen Beziehungskiste jagen sich kichernde Frauen und Männer, die Videowand kommentiert das harmlose Treiben, aber immer weiter klaffen Geschehen und Beschreibung auseinander: aha, so entstehen die Lügen der Medien. Horrorberichte über Leichenfunde werden mit einem so lieblich-goldigen österreichischen Akzent verlesen, dass sie fast harmlos klingen – Chyle thematisiert die Verpackung, nicht den Inhalt. Die tatsächlichen Anspielungen auf Krieg und Gewalt sind sehr kurz: Kunstblut fließt aus Mündern, ein Mann schlägt eine Frau tot, künstliche Gewehrsalven prasseln aus den Lautsprechern.
Lieber erzählt der misslaunige Conferencier immer wieder von sich selbst, nur auf sein Stichwort „Musik!“ werfen Akkordeon und Posaune ein paar Töne ein. Die Zuschauer im spärlich besetzten Saal werden gefilmt und ihre Großaufnahmen kommentiert, über die Beschäftigung mit sich selbst kommt das performative Theaterstück kaum hinaus. Auf der Videowand tauchen neben Slobodan Milošević nun auch der Papst und Angela Merkel auf (die zum Zeitpunkt des Serbienkriegs noch gar nicht Kanzlerin war), schließlich hüpft ein kleiner, niedlicher Beamtentyp als Mick-Jagger-Kopie über die Bühne. Wenigstens er hat „Satisfaction“. Wir bleiben mit der erstaunten Frage sitzen, ob es künstlerisch wirklich wertvoll ist, das Wesen der Kriegspropaganda per Foxtrott zu durchleuchten.
www.fabianchyle.de / www.theaterhaus.com
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments