Abschluss einer Ära
Mit den Hamburger Ballett-Tagen endet die Intendanz John Neumeiers
Das Hamburger Ballett mit einer kunstvollen, aber eher ruhigen Nijinsky-Gala
Die typische Ballettgala zeigt Sahnestückchen des klassischen Balletts, präsentiert von möglichst vielen Gaststars aus den renommiertesten Häusern der Welt. Getanzt werden nur die anspruchsvollsten Soli, die waghalsigsten Pas de deux, und das Ganze am liebsten in prunkvollen Glitzerkostümen.
Die Nijinsky-Gala des Hamburger Balletts ist da anders. John Neumeier nennt diese Art der Galastücke „Zirkus“. Und das meint er keineswegs böse oder abwertend, es ist nur einfach nicht sein Stil. Für seine 36. Nijinsky-Gala hat er ein klug durchdachtes Programm mit dem Motto „Fließende Welten“ entworfen, das nicht auf Effekthascherei abzielt, sondern aus den leisen Tanzmomenten heraus große Gefühle erzeugt.
Das einzig wirklich klassische Galastück, der berühmte Pas de deux aus „Le Corsaire“, wirkt deshalb auch irgendwie deplatziert an diesem Abend. Zudem haben die jungen Tänzer des Mariinsky-Theaters Schwierigkeiten, den Einklang mit dem Orchester zu finden und wirken in vielen ihrer Bewegungen noch zu wild und unbändig. Das hat man schon mal schöner gesehen.
Ein besonders großes Gästeaufgebot gibt es bei dieser Gala nicht. Neben dem Paar aus St. Petersburg sind noch Tänzer aus Berlin, Paris, Tokio und China angereist (die gleich drei Stücke des Abends bestreiten). Doch das eigene Ensemble übernimmt von 17 Stücken des Mammut-Programms mit zehn mehr als die Hälfte.
Nun sollte man anmerken, dass John Neumeier eigentlich überhaupt keine Gaststars einzuladen bräuchte, denn die derzeit besten Balletttänzer hat er in seiner eigenen Kompanie. Erst im Mai hatten die ersten Solisten Hélène Bouchet und Thiago Bordin mit dem „Prix Benois de la Danse“ eine der höchsten Auszeichnungen erhalten, die klassische Tänzer bekommen können. Mit einem eigens für die Gala einstudierten Stück aus der Frederick-Ashton-Choreographie „Thais“ konnten sie auch dem heimischen Publikum noch einmal zeigen, dass sie den Preis auch verdient haben.
Die Nijinsky-Gala ist immer auch Neumeier-Werkschau und so gab es ein Wiedersehen seiner Choreografie „Verklungene Feste“ die sich schön in das Motto der „Fließenden Welten“ einfügte. Zu der ergreifenden Musik von Richard Strauss wechseln die Emotionen zwischen dem Glück des Augenblicks und Melancholie. Die festliche Tafel im Hintergrund ist dabei mal lebendig umringt von Gästen, mal verlassen mit letzten umgekippten Gläsern. Frauen in langen roten Kleidern tanzen letzte Tänzer mit ihren Männern in wunderschönen Paarungen. Das Gefühl, das dieses Stück zu erzeugen vermag, wirkt wesentlich stärker als mit Pop vorgeführte Glanzstücke.
Eine besondere Freude für das Publikum ist der gemeinsame Auftritt der Bubeníček -Zwillinge mit Alexandre Riabko im Pas de trois „Canon in D Major“ von Jiří Bubeníček, der inzwischen am Ballett Dresden engagiert ist. Die drei tanzen mit einer solchen Glückseligkeit im Gesicht, als gäbe es für sie nichts Schöneres, als jetzt und hier zu tanzen.
Rot bis in die Spitzenschuhe präsentierten die Gäste des Tokyo Ballett Japan ein weiteres Highlight mit dem Bejart-Stück „Bhakti III“. Zwei Körper, im Schneidersitz ineinander verschlungen wie eine indische Gottheit, beginnen sich zu bewegen. Wie Museumsskulpturen erzeugen sie immer neue Körperbilder. Die traditionelle indische Musik und das Spiel mit der ausgestellten Hüfte erzielen trotz höchster Präzision der beiden Tänzer eine hocherotische Wirkung.
Die chinesischen Gäste entführen mit ihren Stücken in eine andere Ballettwelt. Sehr fremd wirkt das erste Stück mit seinen übertriebenen Pantomimen, das noch aus Zeiten der kommunistischen Propaganda stammt. Der Traum-Pas-de-deux aus „Peony Pavilion“ („Pavillon der Päonien“) ist dagegen wunderschön anzusehen. Die Choreografie ist elegant und anmutig, die weißen knöchellangen Kleider flattern hauchzart an den extrem biegsamen Körpern und das Zusammenspiel der Tänzer wirkt so rein und zart wie das Blütenblatt, welches das Mädchen am Ende aus dem Schlaf erweckt.
Ehrlicherweise hätte dieses eine Stück der Kompanie ausgereicht, denn zum Ende der Gala geht dem Publikum doch die Puste aus und so findet auch das Solo, dass Jérémie Bélingard von der Pariser Oper eigens für diesen Abend choreografiert hat, nicht mehr die angemessene Aufmerksamkeit. Über die Länge der Gala lässt sich sicher streiten. Die Fans scheinen jedenfalls auch nach fast sechs Stunden noch kein bisschen müde. Stehend applaudieren sie ihrem Ensemble, das sich im bunten Konfettiregen verabschiedet. Mit dieser Dosis Ballett sollte man es nun problemlos über die sechswöchige Spielzeitpause schaffen.
www.hamburgballett.de
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