Plädoyer gegen Rassismus im Tanz
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„Raymonda“, die 45. Vorstellung der Produktion von 2001
Die Bayern haben eben doch ein anderes genealogisches Verständnis für ihre Vergangenheit als – sagen wir die Preußen, die Sachsen und die Schwaben! Und so war klar vom ersten Auftritt der Weißen Dame und ihrer Begleiter in der Münchner Produktion von „Raymonda“ à la Petipa und Ray Barra aus dem Jahr 2001, dass diese 45.(!) Vorstellung ein Abend ganz im Zeichen des Wittelsbacher Hochadels werden würde: diese makellose Spitzentechnik, dieser Kantabilitätsfluss der Linien, diese Musikalität, vorgegeben vom Bayerischen Staatsorchester unter der Leitung von Myron Romanul. Welch ein Weg vom musikalischen Desaster der Stuttgarter „Dornröschen“-Produktion anno 1987 bis zu dieser Münchner Glorifizierung des Glasunow-Klassikers von 1898! Wahrlich, das Herz ging einem (mir) auf, angesichts und angehörs dieser Verzauberung, bewirkt von Bühne und Orchester im Münchner Nationaltheater!
Und so ging es weiter. Vom Entrée der provenzalischen Hofgesellschaft unter dem Protektorat der Weißen Dame, zum Namenstag von Gräfin Raymonda und ihrer Verlobung mit Jean de Brienne über den poetischen Traum Raymondas (diese fabelhaft synchronen blauen Ladies) und dem hier noch zurückhaltend ehrerbietigen Abderakhman via dem Cour d‘amour bis zum Hochzeitdivertissement zu Ehren des Ungarischen Königs. Und wenn ich mir etwas anders gewünscht hätte, so wäre es die Ausstattung von Klaus Hellenstein gewesen, der ich, bei aller farblichen Feinabstimmung einen Hauch von französischer Kreuzritter-Koloristik und -Ornamentik à la J. P. Ponnelle gegönnt hätte (und speziell ein attraktiveres Kostüm als das Nachthemd für Jean de Brienne).
Dabei war an diesem Abend, krankheitsbedingt, die zweite Münchner Besetzung aufgeboten – alle diese Damen mit dem -kova-Namensende ... Ach hätten wir doch neben der aus München importierten Eichwald diese Qualität in Stuttgart, wie Daria Sukhorukova als Raymonda und Zuzana Zahradníková als Weiße Dame samt ihrem Gefolge von Begleiterinnen und Freundinnen. Dagegen hätten wir wohl in Stuttgart die erotisch gefährlicheren Abderakhmiten (hier: Cyril Pierre) und Jean de Briennes neben dem harmlosen, wenngleich technisch versierten Marlon (nicht Brando, sondern) Dino. Aber hier war eben alles auf klassizistischen Wittelsbacher Hochadel gestylt – und da können zur Zeit weder Berlin noch Stuttgart und auch nicht Hamburg mithalten (von Mainz, das ebenfalls als nächste Premiere „Raymonda“ angekündigt hat, gar nicht zu reden).
Und das ist das Wunderbare an diesem Bayerischen Staatsballett, wie es da über die Jahre, ja Jahrzehnte als Klassikerkompanie seine eigene Identität entwickelt hat – eine Investition, die sich reich ausgezahlt hat – bis in die mit jugendlichem Elan von der Bühne Besitz ergreifenden Nachwuchsballerinen und -ballerini: ein Verdienst nicht zuletzt des exzellenten Trainerstabs, wie ihn Konstanze Vernon und ihr Nachfolger Ivan Liška herangezogen haben. So schön also kann klassisches Ballett sein, auch heute noch, anno 2010. Wow!
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