Düstere Visionen
Das große Sommertanzfestival ImpulsTanz in Wien startet mit starken Themen
In „Sacre: The Rite Thing“ arbeitet das Performerkollektiv Liquid Loft um den Choreografen Chris Haring zum ersten Mal für ein klassisch ausgerichtetes Ballettensemble
Eine außergewöhnliche Zusammenarbeit zeigt das ImPulsTanz-Festival derzeit im Odeon. Das österreichische Performerkollektiv Liquid Loft um den Choreografen Chris Haring arbeitete zum ersten Mal für ein klassisch ausgerichtetes Ballettensemble.
Die Einladung der renommierten Les Ballets de Monte-Carlo unter der Präsidentschaft von Prinzessin Caroline von Monaco beweist den hohen Stellenwert von Haring/Liquid Loft in der internationalen Tanzwelt.
In „Sacre: The Rite Thing“ bieten Haring und hervorragende Tänzerinnen und Tänzer aus Monte-Carlo eine ungewöhnliche Interpretation von Vaslav Nijinskys und Igor Strawinskys Ballett „Le sacre du printemps“. Dessen Uraufführung geriet mit einer radikalen Revolutionierung des Balletts 1913 in Paris zum Skandal.
Haring agiert nun auf mehreren Ebenen: Er setzt sich mit Nijinskys Choreografien auseinander, auch Elemente aus dessen „Petruschka“ und „Der Nachmittag eines Fauns“ fließen ein. Dazu kommen ein schlichtes, farbenfroh beleuchtetes Set-Design von Thomas Jelinek und ein Strawinsky zitierendes Sound-Konzept von Andreas Berger. Das Original wird seziert, weitergesponnen, neu zusammengesetzt.
Die verwendeten Bewegungsmodule basieren auf Stampfen und Erdverbundenheit, verkrampften Haltungen und eckigen Arm- und Handbewegungen, die durch die ursprüngliche Rolle des Frühlingsopfers vorgegeben sind. Die archaische Idylle, mit der das Ballett beginnt, wird mehrfach gebrochen. Zwischen der Darstellung der Opferrolle auf der Bühne und dem wirklichen Opfer entsteht eine schwer überbrückbare Diskrepanz.
Haring sucht nicht nach Geschichten, sondern nach Haltungen und choreografischen Formen. „Sacre“ wird so vom musealen Touch der vielerorts getanzten Rekonstruktion von 1913 befreit.
Anders als Haring wählte Jean-Christophe Maillot eine neue Handlung für seine Version von „Daphnis und Chloé“ zu Teilen der Originalkomposition Maurice Ravels (1912). Maillot, seit 1993 als Ballettdirektor in Monte-Carlo erfolgreich, beschränkt das Ballett auf vier Rollen. Aus dem Hirtenpaar werden hier junge Liebende, die vorsichtig zueinander finden und verschiedene Stufen von Euphorie, Erotik bis zum Loslassen durchlaufen.
Auf neoklassischem Vokabular aufbauend, tanzen Anjara Ballesteros und Jeroen Verbruggen vor den sich ständig wandelnden Aktskizzen des Malers Ernest Pignon-Ernest. Dazu liefern Bernice Coppieters und Gaëtan Morlotti als erfahrene Nymphe und Pan einen herrlichen Gegenpart.
„Daphnis und Chloé“/ „Sacre“: The Rite Thing“, 21. und 22. 7., im Odeon: http://www.ImPulsTanz.com
Mit freundlicher Genehmigung des Kurier
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