Alles wieder gut?
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Zum Abschied einer Pädagogin von der Staatlichen Ballettschule Berlin
In die Vergangenheit zu schauen, sei wichtig, sagt Tamar Ben-Ami: Das Leben fange aber stets hier und jetzt an. Strahlend frisch sieht sie dabei aus, hat die wellige Haarflut zurückgekämmt und ein rotes Tuch dekorativ um den schmalen Körper geschlungen. Dies eine Mal, zum Abschied von der Staatlichen Ballettschule Berlin, erlaubt sie sich dann doch einen Blick in die eigene Geschichte. Und die verlief, erzählt sie in einer eigens verfertigten Videodokumentation, parallel zu der des Staates Israel:
Zwei Jahre war sie bei seiner Gründung jung, wuchs in einer kommunistisch geprägten Familie auf. Schwer sei das damals gewesen, mamma mia, entfährt es ihr. In der Kommunistischen Partei waren Israelis und Araber friedlich nebeneinander. So hatte sie auch viele arabische Freunde, etwa den palästinensischen Dichter Mahmut Darwisch. Gelernt hat sie bei Yardena Cohen, einer Palucca-Schülerin, ebenso bei der aus Österreich emigrierten Gertrud Kraus, studierte bei Noa Eshkol, Moshe Feldenkrais, ab 1971 bei Alvin Ailey in New York, tanzte in der Judson Church mit der Laban-Schülerin Irmgard Bartenieff. Die Techniken von Graham und Limón seien in Israel sehr populär gewesen, fügt sie an, bei Limón habe sie mehr Lockerheit gefunden. Auch mit Tai Chi habe sie sich beschäftigt, ist graduierte Tanztherapeutin und Yoga-Lehrerin – und all das sei in ihren Tanz eingeflossen. Daheim in Israel gewann sie viele Preise, dann auch den Grand Prix International beim Video Dance Competition in Frankreich. Dieses Solo, bizarr wie die Natur, auf die sich Ben-Ami bei ihrer Suche nach Form beruft, ist unter dem beziehungsreichen Titel „First Person Conversation“ fast zu ihrem Markenzeichen geworden. Generationen von Studentinnen haben es auch an der Staatlichen Ballettschule Berlin getanzt.
Dorthin kam sie eher durch Zufall. Bei einem Schulfestival in Frankreich lernte sie die Schule kennen. Ein Besuch bei Pina Bausch gab auch Gelegenheit, Berlin zu sehen, und dort lud der damalige Leiter, Martin Puttke, sie ein, für die Schulgala zu choreografieren. Das war 1991, fester Pädagoge wurde sie 1992, geblieben ist sie bis zur ihrer Verabschiedung in den Ruhestand 2011, 19 erfolgreiche, harte, kämpferische Jahre. Denn Moderner Tanz wollte als Lehrfach in einer Hochburg der Klassik erst etabliert sein. Von ihren rund 100 Choreografien entstand gut die Hälfte für Berliner Studenten, zwischen 1992 und 2002 für jede der Schulgalas, zudem für Unterrichte und Examina. Ein wichtiger Erfolg wurde der 1. Preis beim Prix de Lausanne 1998 für Katja Wünsche, die auch den Zuschauerpreis erhielt. Die moderne Variation kreierte Tamar Ben-Ami.
Den Dialog mit den Schülern genieße sie, sagt sie: Er bringt mir die Power. Ob zu neuer Klassik wie von Arvo Pärt, zu israelischer Folklore oder Weltmusik, immer ging es der Pädagogin darum, Schüler auf den eigenen Weg zu führen, ihnen ihre Möglichkeiten bewusst zu machen, herauszufinden, was für die Karriere am besten ist. Diesem Zweck diente auch ihr Lehrfach Impro/Kompo: Improvisation sei wichtig, erst bei der eigenen Komposition von Tanz müsse man jedoch Entscheidungen treffen. Der gleichermaßen klassisch und modern geschulte Körper biete dafür die besten Chancen und sei zudem das, was heutige Choreografen erwarten.
Linien zu bauen und wieder zu brechen, nennt sie eines ihrer choreografischen Prinzipien, ebenso mit dem Raum zu arbeiten, Kontraste zu schaffen, Symmetrie und Asymmetrie in Balance zu bringen. Fragen der Schüler an sich selbst, wie etwa in jener „First Person Conversation“, greift sie dabei auf, will in der Gestaltung die Kreativität aus den Tiefen der Seele anzapfen. Der Dank der Studenten, denen sie sich für viele Anregungen ausdrücklich verpflichtet sieht, ist ihr sicher. „Ein Abend für Tamar Ben-Ami“ vereinte im Theatersaal der Staatlichen Ballettschule Studenten sowie Absolventen verschiedener Jahrgänge, die für „ihre“ Lehrerin tanzen und ihr so Valet sagen wollten. Gekommen waren unter anderen Anja Behrend von Les Ballets de Monte-Carlo, Katja Wünsche vom Stuttgarter Ballett, die wee dance company und Katharina Wunderlich aus Berlin, Doris Becker, Christian Bloßfeld und Helge Freiberg vom Ballett der Deutschen Oper am Rhein, Anudari Nyamsuren vom Ballett Dortmund, Carolina Schneeberg und Miriam Schegerer vom Friedrichstadtpalast, Tänzer aus Chemnitz, Flensburg, Gera, Halle, Schwerin, Plauen-Zwickau, Wiesbaden; Grußworte sandten Roni Haver aus Groningen und Hofesh Shechter aus London – sie alle einstige Studenten von Tami, wie ihr Rufname lautet.
Wieviel sie der Schule auch als Choreografin eingebracht hat, bewies der Abend von Galaformat. Am Ende sang Tamar Ben-Ami ein jiddisches Lied. Sie wolle noch lernen, hatte sie zuvor im Film gesagt, stehe vor einem neuen Anfang, sei neugierig auf das, was kommt. Dafür drückt man ihr von Herzen beide Daumen.
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