Alles wieder gut?
Berliner Senatsverwaltung rehabilitiert nun auch Ralf Stabel in der Causa Staatliche Ballettschule
Die Absage der Gala der Staatlichen Ballettschule Berlin wirft Fragen zum Reformprozess auf
Etwas ist faul im Staate Ballettschule. Nach der überraschenden Absage der Gala durch die Schulleitung kochen die Emotionen überall hoch. Nachdem zunächst nur eine Leerformel „aus organisatorischen Gründen“ als Grund für die Absage der Gala der Staatlichen Ballettschule Berlin durch den Äther rauschte, ist auch knapp zwei Wochen später nichts klar. Fest steht immerhin, dass die Schulleitung, und damit zuvorderst die seit drei Jahren als Interim-Schulleiterin eingesetzte Martina Räther, die Absage verantworten.
In einem Brief an die Lehrkräfte, welcher tanznetz vorliegt, heißt es in Hinblick auf die geplante Gala, „dass die künstlerisch-fachliche Qualität einerseits und Kinder- und Gesundheitsschutz andererseits zum momentanen Zeitpunkt nicht gewährleistet ist. Dies ist uns nun bewusst geworden und wir haben dementsprechend gehandelt.“ Unterzeichnet ist das Schreiben von Räther und ihrer Stellvertreterin Stefanie Lehmann. Über die genauen Punkte schweigt sich die Schulleitung aber aus und verweist freundlich schmallippig an die Senatsverwaltung. Dort wiederum verweist man auf das Statement, das sich bereits auf den Seiten des Staatsballets befindet und stellt fest, das die Schulen in Berlin eigenverantwortlich über ihr Programm entscheiden können. Die Senatsverwaltung legt also selbstzufrieden die Hände in den Schoß und spielt zusammen mit der Schule das beliebte Spiel der organisierten Verantwortungslosigkeit in der Variante Einmauern. Und das in Berlin.
„Super-Gau“
Mittlerweile ist die Aufmerksamkeit groß, was sicher auch mit der Vorgeschichte der Schule, den Missbrauchsvorwürfen und der rechtlich misslungenen Abberufung der ehemaligen Schulleitung unter Ralf Stabel und Gregor Seyffert liegt. Die BZ schrieb vom Super-Gau, die Frankfurter Allgemeine wittert einen Skandal und auch der Tagesspiegel sieht „erhebliche Defizite“.
Was genau aber diese sind, kann man angesichts der Wagenburgmentalität von Interims-Schulleitung und Senatsverwaltung nur erahnen. Gesundheitsschutz und Kinderschutz kann vieles heißen: von unbeheizten Garderoben über schwierige Probenverhältnisse bis hin zu potentiellen Übergrifflichkeiten. Was davon? Schweigen im staatlichen Forst. Umso absurder ist der Vorgang, wenn man bedenkt, dass in den letzten beiden Jahren die Gala stattgefunden hat, bei denen die Schulleitung jetzt feststellt, dass auch hier hier künstlerische Qualität und Schutzbedürfnisse nicht gepasst hätten. Für den Deutschen Tanzpreis, wo die Ballettschule mit „Better, Faster, Stronger“ glanzvoll reüssierte, galt dies offenbar nicht. Alle anderen großen Tanzausbildungen bekommen solche Galen übrigens problemlos hin, sei es in Stuttgart, Hamburg oder München.
Starre Fronten
Bei den Tanzlehrenden kam die Absage erwartungsgemäß nicht gut an. In einem Schreiben, das tanznetz ebenfalls vorliegt, werden durch die Absage vor allem Personalkonflikte ausgetragen, was einem Machtmissbrauch gleichkäme, weil auf Kosten der Schüler*innen ein Konflikt zwischen Schulleitung und Senat ausgetragen werde. „Eine Schulgemeinschaft lebt von der Kommunikation, sie lebt von Reibung durch unterschiedliche Meinungsbilder.“ Dies käme aber zu kurz. Die Schulleitung wiederum wirft den Lehrer*innen fehlenden Reformwillen vor: „Wir nehmen wahr, dass von vielen Seiten Veränderungen gefordert werden, aber niemand möchte selbst von den Veränderungen betroffen sein.“
Die Fronten sind verhärtet und es sieht nicht danach aus, dass aus der aktuellen Situation Produktivkräfte entwachsen. Nach drei Jahren Scheitern und offensichtlicher Reformunfähigkeit auch seitens der Lehrkräfte, die immer wieder aufscheint, ist nun der Einsatz von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch gefordert, den gordischen Knoten zu durchschlagen. Der Imageschaden ist jetzt schon enorm und es droht der Absturz in die Mittelmäßigkeit. Und davon hat Berlin jetzt schon mehr als genug.
UPDATE: Rehabilitierung von Gregor Seyffert
Neues gibt es derweil vom ehemaligen künstlerischen Leiter der Schule: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat Gregor Seyffert, nachdem sie zwei arbeitsrechtliche Prozesse verloren hat, in einer schriftlichen Erklärung voll rehabilitiert, da ihm fachlich und persönlich nichts vorzuwerfen sei. Eine Rückkehr an die Schule schließt die Senatsverwaltung in ihrer Erklärung allerdings ausdrücklich aus, was mit der Umstrukturierung der Ballettschule und der „hieraus resultierenden Änderung der Zielsetzung und Arbeitsweise der Schule, die auch die Auflösung des Landesjungendballett beinhaltete“, begründet wird. Seyffert wird sich nun, so die Erklärung, im Rahmen des Arbeitsvertrags anderen herausfordernden Aufgaben widmen. Man freue sich auf eine kollegiale und konstruktive Fortsetzung der Zusammenarbeit. Wie diese Herausforderungen konkret aussehen, bleibt derweil offen. Das immerhin verbindet ihn mit der Zukunft der Ballettschule.
Der Absturz in die Mittelmäßigkeit, wie Torben Ibs prophezeit, droht nicht. Die Staatliche Ballettschule Berlin befindet sich in freiem Fall. Nach Denunzierungen, absurder Skandalberichterstattung in den Medien und einem erschreckend inkompetenten Umgang der Verantwortlichen bei der Bewältigung einer angeblichen Krise hat die Schule in den letzten Jahren ihre Alleinstellungsmerkmale und ihr internationales Renommee verloren – durch einen Skandal, den Vertreter anderer Medien in verantwortungsloser Gier hochputschten, den in Wahrheit aber nicht die Ballettschule, sondern die Politik lieferte. Ich habe den Beitrag von Torben Ibs ausführlich kommentiert, um Hintergründe und Zusammenhänge sichtbar zu machen. Mein Kommentar ist hier zu finden: http://savethedance.de/in-freiem-fall
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