Mit seiner Kamera kann Gert Weigelt auch mal einen Bodenbelag zum Solisten machen
Reisesplitter aus Berlin
Reisesplitter. Stockholm, Ende Mai
Reist man um diese Jahreszeit nach Stockholm, so kommt man in den Genuss eines zweiten Frühlings. Die Kerzen der Kastanien standen noch in voller Pracht und gleichzeitig blühte der Flieder. Die Botanik war allerdings weder Zweck noch Anlass meiner Reise, sondern ein Extra-Bonus: Grund war eine Ausstellung im „Dansmuseet“, diesem wunderbaren Museum am Gustav Adolfs Torg, schräg gegenüber der Königlichen Oper.
Ich selbst hatte ja das Privileg dort schon zwei Mal ausstellen zu dürfen: „body&soul“, 2002 und „Absolut Pina„ 2008. Lesley Leslie-Spinks hat die choreografische Karriere von Mats Ek fast von Anfang an verfolgt (bis heute summiert sich das auf 35 Jahre) und dieses Begleiten mit der Kamera trug nun endlich wohlverdiente Früchte: sowohl als Ausstellung als auch in Form eines sehr sorgfältig gearbeiteten Buches. (Texte von Margareta Sörenson). In ihrem Vorwort zur Ausstellung erklärt Lesley ihr uneingeschränktes Interesse und ihre Bewunderung für Künstler, die besessen sind (Robert Wilson ist ein anderer Obsessiver, dem sie mit der Kamera folgt). Da sich gleich zu gleich gesellt, kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass auch Lesley eine gehörige Portion an Besessenheit besitzt.
Als ihr Kollege und Freund hätte ich mir zwar gewünscht, dass sie etwas „egoistischer“ an das Projekt herangegangen wäre, sprich: weniger Fotos und die dann sparsamer und ausdrucksstärker in Szene gesetzt, aber natürlich weiß ich auch, dass die „reine, die lukullische Fotografie“ für Verleger einen Luxus darstellt, den sich nur wenige leisten (wollen). Am Ende ist es eine sehr informative, dokumentarische Mats-Ek-Ausstellung geworden, die eine ideale Startrampe für die Buchpräsentation hergab (während der Vernissage wurden schon über 100 Bücher verkauft).
Oft wird es solche Ausstellungen an diesem wunderschönen Ort nicht mehr geben. Die Regierung hat Begehrlichkeiten auf die Immobilie angemeldet und da ist es klar - in Schweden wie überall -, dass die Kultur den Kürzeren zieht. Zum Glück hört man, dass neue Lokale, nicht weit vom jetzigen Standort entfernt (also im Herzen Stockholms), in Aussicht stehen. 2013 wird man umziehen müssen. Dennoch, es wird nicht nur für das Dansmuseet einen Prestige- und Qualitätsverlust bedeuten, sondern auch für die Urbanität des Platzes. Das Café des Museums und dessen Shop waren immer ein beliebter Treffpunkt. Im Sommer wird draußen serviert, was dem Gustav Adolfs Torg Leben verleiht. Ist das einzige Café weg, wird der Platz definitiv an Attraktivität verlieren und nur noch ein viel frequentierter Verkehrsknotenpunkt sein. Ein wunderbares Kollateralerlebnis hatte ich dann noch in den Katakomben des Tanzmuseums. Der Museumsdirektor Erik Näslund war unlängst auf einer Auktion in London und konnte einige wunderschöne Kostüme aus der Provenienz der Ballets Russes ersteigern. Sie muten an wie in Seide gewebte Juwelen und die Vorstellung, dass sie von den Ballets-Russes-Legenden getragen oder gar von Leon Bakst selbst bearbeitet wurden, stimmt einen erhaben und ehrfurchtsvoll.
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